Echt schlecht für einen Diesel

VW brüstet sich mit seinem Drei-Liter-Auto. Viel ist davon nicht zu erwarten

Lupo ist ein "Verbrauchswunder", ein "Vollwert-Auto ganz ohne Kompromisse", eben ein echt "pfiffiges Fahrzeug" mit "erstaunlichem Temperament": Die Rede ist von einem Drei-Liter-Auto, das Volkswagen vor Ende September auf dem Internationalen Automobil-Salon in Paris passend zum rot-grünen Regierungswechsel präsentierte: Nach Angaben des Autokonzerns "das umweltfreundlichste Auto der Welt".

Seit Jahren sprechen Umweltverbände, Politiker und Autoindustrie von der technischen Realisierbarkeit eines Fahrzeugs, das nur drei Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer benötigt. VW will nun als erster Automobilhersteller einen solchen Wagen in Serie produzieren.

Was den Umweltschutz angeht, beruhigte die Autoindustrie die Öffentlichkeit bislang mit wirkungslosen Selbstverpflichtungen: Die deutschen Automobilhersteller haben sich in einer Zusage gegenüber der Bundesregierung dazu verpflichtet, die CO2-Emissionen von neu zugelassenen Pkw bis zum Jahr 2005 um ein Viertel zu reduzieren. Auf europäischer Ebene sieht es ähnlich aus: Ein Gesetz zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs lehnten die europäischen Umweltminister letzte Woche ab. Akzeptiert wurde eine Selbstverpflichtung der europäischen Autohersteller, nach der bis zum Jahr 2008 der durchschnittliche Spritverbrauch von Neuwagen auf sechs Liter pro 100 Kilometer sinken soll.

Eine wirksame Reduktion des Kohlendioxyd-Ausstoßes bei Pkw ist hiervon nicht zu erwarten, so daß Heidi Hautala, Schadstoff-Expertin der EU-Grünen, den Umweltministern einen "Kniefall vor der Automobilindustrie" vorwirft. Eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA) kommt zu dem Ergebnis, daß es seit 1992 nur zu vereinzelten Fortschritten im Verbrauch verschiedener Motoren gekommen sei. Diese werden aber schon alleine durch die kontinuierliche Zunahme der Fahrzeugleergewichte wieder kompensiert. Die Tendenz geht insgesamt sogar zu mehr Verbrauch. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) glaubt sich jedoch über alle Kritik erhaben und fordert von Bonner Umweltpolitikern "Respekt vor den Taten" der Branche. "Die Klimawende im Straßenverkehr ist erreicht", meint VDA-Präsident Bernd Gottschalk.

Die Vorreiterrolle in Sachen Innovation nimmt VW für sich in Anspruch. Der Konzern gibt vor, den Weg der Schadstoffreduktion mit dem neuen "Spar-Lupo" beschreiten zu wollen, dessen Kraftstoffverbrauch 2,99 Liter pro 100 Kilometer beträgt. Der niedrige Verbrauch liegt vor allem an dem Direkteinspritzer-Motor mit einer außerordentlich hohen Energiebilanz. Ein neuartiges Automatik-Getriebe sorgt dafür, daß weniger Kraftstoff als bei einem Schaltgetriebe verbraucht wird. Normalerweise ist es umgekehrt. Außerdem ist der "Lupo" extrem leicht und seine Reifen haben einen sehr geringen Rollwiderstand.

Der ökologische Anspruch von VW ist trotz des geringen Kraftstoffverbrauchs bei diesem Fahrzeug nicht sehr glaubwürdig. Zum einen ist der Wagen viel zu teuer. Mit cirka 25 000 Mark liegt der Preis immer noch 9 000 Mark über dem des normalen Lupo, der doppelt soviel verbraucht. Vor allem die Verwendung der teuren Leichtmetalle Aluminium und Magnesium machen das Öko-Auto zum Luxus-Fahrzeug.

Ein Kauf würde sich also nur bei einem drastischen Anstieg der Mineralölsteuer auszahlen. Ein weiterer entscheidender Nachteil des Lupo: Er säuft Diesel. Der Kraftstoffverbrauch wird zwar gesenkt, entscheidend ist aber immer noch der Schadstoffausstoß. Und hier haben Diesel-Fahrzeuge ganz schlechte Karten: Die CO2-Emission ist niedriger als bei Benzinern, insgesamt entstehen pro verbrauchtem Liter Sprit aber mehr Schadstoffe. Die Tatsache, daß Volkswagen "einen ökologisch korrekten Innovationsträger" mit einem Diesel-Motor herstellen will, findet Greenpeace dann auch "besonders peinlich". Echt schlecht für einen Diesel.

Trotzdem setzt auch der Konkurrent Daimler-Benz bei seinem Drei-Liter-Auto auf den krebserregenden Treibstoff, den die Umweltschützer "schlicht und einfach verboten" haben wollen. Das Stadtauto Smart schneidet noch schlechter als der Lupo ab: Der Zweisitzer verbraucht als Diesel-Modell pro 100 Kilometer 3,4 Liter und ist weniger leistungsstark.

Greenpeace setzt Lupo und Smart seinen Prototypen Twingo Smile entgegen, der ebenfalls nur drei Liter pro 100 Kilometer verbraucht und mit Benzin getrieben wird. Sein geringes Gewicht hat er im Gegensatz zu den Konkurrenten nicht durch die Verwendung von leichtem, aber teurem Material erreicht, sondern vor allem durch einen kleineren Motor. Der entscheidende Vorteil: Laut Greenpeace ist der Smile-Motor "in jedem Auto der Welt zu verwirklichen". Trotzdem hat die Autoindustrie bislang nicht auf dieses Konzept zurückgegriffen.

Die großen Hersteller scheinen nicht wirklich an einer drastischen Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs aller Autos interessiert zu sein. Lupo und Smart sind kleine Stadtautos, auf die nur ein geringer Teil der Gesamtfahrleistung entfällt. Selbst wenn sich die Modelle durchsetzen könnten, hat das nur geringen Einfluß auf die gesamte Abgasemission - ein recht bescheidener Beitrag zum Klimaschutz. Außerdem sollte man sich in der Stadt überlegen, ob es nicht auch andere Verkehrsmittel gibt. "Das bringt mehr als das Drei-Liter-Auto", meint auch Rolf Brüning, Verkehrsexperte von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.

Trotzdem ist seine Partei grundsätzlich dafür, Drei-Liter-Autos durch einen Anstieg der Mineralölsteuer zu unterstützen und "einer kreativen Wirtschaft eine große Chance" zu eröffnen. Mit dem Koalitionspartner SPD ist eine Erhöhung der Mineralölsteuer jedoch nur in geringem Umfang durchsetzbar. Brüning gesteht einer ökologischen Steuerreform durchaus eine "Lenkungsfunktion" zu, "entscheidende Impulse gehen hiervon jedoch nicht aus".

Wie es funktionieren könnte, machen amerikanische Auto-Konzerne vor: Mit dem Programm "Partnership for a New Generation of Vehicles" ermöglichen drei große Hersteller mit finanzieller Unterstützung der Regierung die serienmäßige Produktion großer Drei-Liter-Familienautos ab 2005. Aber auch hier dürfte weniger der Umweltschutz im Vordergrund stehen. Vielmehr ist der sparsame Umgang mit schwindenden Ressourcen ein Faktor internationaler Wettbewerbsfähigkeit.

"Die Automobilindustrie weiß auch, daß Rohstoffe knapp werden", meint Verkehrsexperte Brüning. Was dies angeht, hat VW auf dem Pariser Autosalon seine Uneinsichtigkeit unter Beweis gestellt: Direkt neben den Lupo wurde das Riesencoupé E 118 mit 18-Zylinder-Motor und 555 PS plaziert.