Zum Blauen Affen II

Berlinbesucher

Die meisten von uns, zumindest die Wahlberliner, kennen diese Situation: Besuch hat sich angekündigt. Das können alte Schulfreunde/innen, Studienfreunde/innen oder in Vergessenheit geratene Zufallsbekanntschaften sein, im schlimmsten Fall die Eltern. Sollten spezielle Veranstaltungen (Love Parade, Fußball-Pokalfinale, 1. Mai, etc.) anstehen, kann es sogar zu Anfragen ganzer Reisegruppen kommen.

So oder so, der Zeitpunkt könnte in der Regel ungünstiger nicht sein. Aber absagen will man natürlich auch nicht (immer). Klar, könnt ihr bei mir pennen; kein Problem, nein, macht mir überhaupt nichts. Dabei spielt natürlich auch der zur Verfügung stehende Wohnraum eine Rolle. Wer in einem Hinterhaus auf 25 Quadratmetern haust, die flauschige Wärme einer Ofenheizung genießt und mit den Widrigkeiten einer Außentoilette leben muss, wird sich nicht allzu oft mit solchen Ansinnen herumschlagen müssen. Gut, hartgesottene Kumpels wie Lutz, Patrick oder Marcus lassen sich auch von solchen Bedingungen nicht abschrecken. Aber die Abstände zwischen den Besuchen werden stetig größer. So lange, bis die neue Hundert-Quadratmeter-drei-Zimmer-WG endlich wieder die Möglichkeit eines verlängerten Wochenendes in der Hauptstadt bietet.

Und diese verlängerten Wochenenden sind für den/die Gastgeber/in oftmals Vergnügen, manchmal Arbeit - und sehr selten (aber eben doch) ein Test für die Nerven.

Sehr sympathisch sind grundsätzlich Besucher, die Berlin schon kennen und daher nicht zum Brandenburger Tor, auf den Alex, zum Ku'damm oder in irgendwelche Museen rennen müssen. Kein straff einzuhaltender Zeitplan, einfach treiben lassen. Etwas schwieriger sind da schon die Erstbesucher. Dann wird das schon zig mal veranstaltete Programm einfach erneut abgespult; das ist zwar nicht besonders spannend, aber Augen zu und durch.

Kritisch dagegen wird's bei den so genannten Shopping-Touristen. Rechtzeitiges Ausklinken des Gastgebers/der Gastgeberin ist geboten, will man nicht selber stundenlang in gestylten Boutiquen, Ramschläden und Second-Hand-Shops rumstehen; ansonsten besteht die Gefahr, sich von der Einkaufsmanie, die bei manchen Leute fernab der Heimat ausbricht, schnell anstecken zu lassen. Und das ist gefährlich.

Denn so ein Wochenende ist nicht nur für den Gast, der im Normalfall das Geld sowieso recht locker sitzen hat, sehr teuer: Frühstück (natürlich auswärts), evtl. einkaufen, Kaffee trinken, Essen, noch mal Kaffee trinken, evtl. Stadionbesuch, Bier trinken, ausgehen, Kino, noch mehr Bier trinken, Club, Cocktails trinken, Taxi ...

Besuch schlaucht, konditionell wie finanziell. Es gibt natürlich auch spendable Gäste, aber deren übertriebene Großzügigkeit (»Lass' mal stecken ...«) kann schnell unangenehm werden. Schlechtes Gewissen, und so.

Nach einem derartigen Wochenende ist man selber erst mal urlaubsreif. Viel Zeit bleibt allerdings nicht, denn nächstes Wochenende gibt's schon wieder ... Besuch.