Meine Zeit in der Hölle III

Bei Satans unterm Sofa

Wegen des schlechten Wetters kam ich neulich zufällig in die Hölle. Sie liegt ungefähr 700 Kilometer südlich von Berlin, ist über die Bundesautobahn 9 hervorragend zu erreichen und befindet sich auf einem Berg. Der Eintritt kostet acht Mark. Schon zehn Minuten vor dem Einlass herrscht vor dem Portal Gedränge: Kreischende Schulklassen aus dem spannungsarmen Bielefeld, für die eine Besichtigung auf dem Pflichtprogramm steht, können es kaum erwarten, dass sich die alte Eichentür öffnet. Um die Wartezeit zu verkürzen, ist ein kleiner Fernseher in die Wand integriert. Filme mit Bruce Willis vermitteln einen ersten Eindruck vom ewigen Heulen und Zähneknirschen.

Als sich die Pforte bewegt, geht es endlich los! Eine Multimedia-Show beginnt mit einem Lehrfilm der Katholischen Kirche. Jedesmal, wenn es blitzt und donnert, vibrieren die Sitzgelegenheiten. Dann hetzen plötzlich vier Reiter mit albernen Namen wie »Hunger«, »Pest«, »Tod« und »Gerhard« durch das Gebäude, um pünktlich beim G-8-Gipfel auf der japanischen Insel Okinawa anzukommen.

Hinter der nächsten Tür treffen wir Freund Hein. Der Mann trägt Hosen von C & A und macht einen heruntergekommenen Eindruck. Eine Fremdenführerin beschreibt in schamloser Mundart die Einrichtung. Praktisch ist vor allem die neue Partikular-Erlösung: Statt bis zum Ende aller Tage in der Grube zu liegen, kann man seit dem 14. Jahrhundert unabhängig von den anderen Knastjulen auferstehen. Das Jüngste Gericht, das zuletzt ein Ermittlungsverfahren gegen »Altbundeskanzler Kohl« (Fegefeuer-Jargon) gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt hat, muss die Partikular-Himmelfahrten dann nur noch bestätigen!

Um die Ecke wartet der Antichrist mit den vier Köpfen, von denen einer aussieht wie ein alter Bekannter aus dem Landeskriminalamt. Wenige Meter entfernt liegt »der falsche Prophet« in einer Ecke und kübelt, was das Zeug hält. Übel mitgenommen berichtet die Höllenkreatur davon, dass ihr auf der Love Parade jemand LSD ins Trinkwasser geworfen hat. »Ich hörte eine Woche lang nur Gotthilf Fischer«, sagt das Tier mit dem gehörnten Löwenkopf stinksauer.

In der Haupthölle herrscht munterer Betrieb. Predigtfaulen Priestern wird mit einer Zange die Zunge aus dem Mund gerissen, schäbigen Geizhälsen füllt ein junger Mann glühende Münzen in den Rachen. Nur der Führer, der hier nach Informationen des ehemaligen US-Präsidenten George Bush anlässlich der deutschen Wiedervereinigung in ein teuflisches Lachen ausgebrochen sein soll, ist nirgendwo zu sehen. »Betriebsausflug nach Eberswalde«, meint jemand. Als es gerade richtig heiß wird, ruft eine Frau Mitte zwanzig eine Vollversammlung aus. Weil bekannt ist, dass solche Veranstaltungen meistens einen Pferdefuß haben, machen wir uns aus dem Staub und finden dabei heraus: Die Hölle hat eine Schiebetür!

Zu Hause warteten die Handwerker.