Unanständige Berufe VI

Der Draufgänger

Mein Freund Peter ist Redakteur bei einer Tageszeitung. Er arbeitet viel, aber nicht immer. Wenn er nicht arbeitet, geht er tanzen. »Man bewegt sich ja sonst kaum am Schreibtisch«, sagt er. Außerdem kann man auf Partys Frauen kennen lernen. Das sagt er nicht. Jedenfalls nicht vor dem vierten Bier.

Neulich war Peter wieder auf einem Fest. Da hat er eine Frau getroffen auf der Tanzfläche. Sie sind sich näher gekommen, sie hat ihm gefallen, und er ihr wohl auch - es war recht dunkel. Später saßen sie zusammen am Rand. Sie haben sich angeregt unterhalten, obwohl es sehr laut war. Als Ilona gehen wollte, wurde Peter sehr mutig. Er hat sie nach ihrer Telefonnummer gefragt. »Home, Handy oder sonstwo?« Ilona hat zurückgelächelt. »Und Deine?« Er hat ihr seine Nummer aufgeschrieben - auf einem Stück Taschentuch. Ilona fand das romantisch. Zum Abschied hat sie ihm ihre Nummer gegeben. Und ein Küsschen.

Gut Ding will Weile haben, hat Peter gedacht, als sie gegangen war. Dann hat Peter gewartet. Einen Tag, zwei Tage. Niemals sofort anrufen, meint Peter. »Das ist uncool.« Derweil ist er zur Arbeit gegangen. In der Redaktion waren da wieder diese Meldungen von den Kampfhunden. Darüber sollte Peter was schreiben. Und weil sein Herz hüpfte, war er sehr kreativ. »Nur ein toter Kampfhund ist ein guter Kampfhund«, erschien auf seinem Bildschirm.

Das war am Dienstag, drei Tage nach der Party. Am Abend hat Ilona bei Peter angerufen. Sie haben sich nett unterhalten am Telefon. Der gleiche Film gefiel ihnen, eine ähnliche Musik, und sogar von derselben Theoretikerin hatten beide schon mal einen Aufsatz gelesen. Manchmal haben sie gelacht. Spaß durch die Drahtfaser. Für den nächsten Tag - Peter wollte extra frei nehmen - haben sie sich verabredet. In einem schönen Café in der City. Dann hat Ilona Schluss gemacht »mit dem Teflonieren«, wie sie sagte, weil sie noch mit dem Hund runter müsse. Peter schoss sein Artikel in den Kopf.

»Wie kannst du nur sowas schreiben?« rief Ilona zur Begrüßung im Cafe. Peter verkniff sich ein Küsschen. »Aber ...«, stammelte er. »Ich hätte von dir eine differenziertere Betrachtung erwartet.« Noch bevor er erwidern konnte, dass man »diffenziert« nicht steigern kann, sagte Ilona wütend: »Und mit so einem verabrede ich mich.«

Dann haben sie sich noch ein wenig über Hunde im Allgemeinen und Kampfhunde im Besonderen gestritten. Die Kurve zum Small Talk wollte nicht ganz gelingen, und sie tranken ihren Milchkaffee schneller als gewohnt. Dann ist sie gegangen. Ohne Küsschen.

Peter hat sich auf die Wiese im Park gelegt. Irgendwann hätte es sowieso geknallt, auch ohne den Artikel, tröstete er sich. Und außerdem sähe bei Tageslicht alles ganz anders

aus. Diese Gedanken beruhigten Peter, und er schlief in der Sonne ein. Später weckte ihn ein Hund, der ihm das Gesicht ableckte. Wenigstens keinen Sonnenbrand gekriegt, dachte Peter, nachdem er seinen ersten Ekel überwunden hatte.