Meine Zeit in der Hölle V

Vade retro!

Satanismus boomt. »Wo der Glaube zur Tür hinausgeht, kommt durch die Hintertür der Aberglaube.« Werner Guballa, der Generalvikar des Mainzer Bistums, weiß, wovon er spricht. Gerade in ländlichen Regionen wie dem Odenwald gebe es Satanskirchen. Umgedrehte Kreuze, mit Pfeilen durchstochene Wachspuppen, Schweineblut und Tierköpfe - düstere Kulte greifen um sich, überall. Noch hält der atheistische Osten den ersten Platz im devil-ranking. Doch die teuflischen Umtriebe grassieren auch in zivilisierten Gegenden, wie z.B. im Rhein-Main-Gebiet.

Die Kirche ist gefragt, mehr denn je. Aber der Kampf gegen das Böse kommt kaum voran. Nicht nur, dass die meisten Kirchenvertreter bei Besessenheit durch Dämonen lieber auf psychiatrische Behandlung denn auf bewährte Methoden setzen. Es sind nur noch wenige, die den Ernst der Lage erkennen. Einer von ihnen ist der Mainzer Weihbischof Franziskus Eisenbach, der beherzt gegen die abgefallenen Engel streitet.

Seelsorge ist gut, Exorzismus ist besser. Und effektiver, will man meinen. Denn Besessenheit hat es in sich: Ungewöhnliche Kräfte, das Sprechen in unbekannten Zungen, die Beschwörung von geheimen und entfernten Dingen, aber auch eine irrationale Abneigung gegen Gott sind die Kritierien des seit 1999 gültigen vatikanischen Regelwerks »De Exorcismis«. Wer besessen ist, der leidet.

Auch Änne Bäumer-Schleinkofer, eine Mainzer Professorin, soll unter Visionen gelitten haben - sie wollte in Mainz ein Hildegard-von-Bingen-Institut gründen. Ein klarer Fall: Austreibung tut Not. »Ergreife den Drachen, die alte Schlange, die nichts anderes ist als der Teufel und Satan, und stürze ihn gefesselt in den Abgrund«, ist eine der Formeln, die der »Exorzismus gegen den Satan und die abtrünnigen Engel« von Papst Leo XIII. vorgibt. »Gefesselt in den Abgrund« - gegen den Teufel helfen eben nur harte Bandagen. Das weiß auch Weihbischof Eisenbach. So soll dieser, berichtet Bäumer-Schleinkofer, im vergangenen Jahr einen Großen Exorzismus an ihr durchgeführt haben.

Keine seltene Praxis in der katholischen Kirche. Doch diese Austreibung war nicht genehmigt. Die Exorzismus-Lizenz wird vom örtlichen Bischof erteilt. Allerdings nur einem Priester, der über Wissen verfüge, barmherzig sei und einen einwandfreien Lebenswandel vorweisen könne.

Nicht so Eisenbach. Inzwischen hat Bäumer-Schleinkofer den Weihbischof angezeigt. Nach stundenlangen inquisitorischen Befragungen während der Teufelsaustreibung sei sie in Siechtum verfallen und teilweise gelähmt gewesen. Zudem habe Eisenbach sie monatelang sexuell missbraucht. Und: Gemeinsam habe man im Januar einen weiteren Exorzismus durchgeführt, an einer Frau, die sich als Hohepriesterin der Satanskirche bezeichne.

Seither befinden sich die Mainzer Katholiken in heller Aufregung. Viele demonstrierten in den letzten Wochen ihre Verbundenheit mit Eisenbach; Gläubige riefen an und schickten Briefe, ja sogar E-Mails. Zwecklos: Nicht nur der Vatikan, auch die Staatsanwaltschaft hat inzwischen die Ermittlungen aufgenommen. Es ist das erste Verfahren gegen einen Bischof in Deutschland.

Die Wahrheit soll ans Licht. Nur wie? Selbst Oberstaatsanwalt Klaus Puderbach ist ratlos. »Sexuelle Kontakte« - ja, »Großer Exorzismus« - nein, meint das Bistum Mainz. Jetzt muss Puderbach Hunderte Briefe Bäumer-Schleinkofers an den Weihbischof lesen - es geht darin wohl um Tiere und biblische Metaphern. Auch ein Psychiater soll konsultiert werden. Sind es »Wahnvorstellungen im religiösen Bereich«? War die Initiative zu sexuellen Handlungen von Bäumer-Schleinkofer ausgegangen? Oder hat der Weihbischof die seelische Not der Frau ausgenutzt?

Puderbach ermittelt. In alle Richtungen. Und der Weihbischof will nicht mehr öffentlich auftreten - bis die Angelegenheit geklärt ist. Doch das kann lange dauern.

Vielleicht zu lange. Denn die Dämonen machen mobil. Wer hält sie auf? Der Mainzer Oberhirte Karl Lehmann? Möglich. Oder Johannes Paul II.? Keine schlechte Wahl, der Papst hat Erfahrung. Im Frühjahr 1982 wälzte sich eine Frau vor ihm am Boden und schrie, Karol Wojtila sprach Formeln und betete, die Frau wurde schließlich geheilt. Noch besser aber wären jene Priester, die 1976 den berühmten Exorzismus von Klingenberg durchgeführt hatten. Damals will einer der Geistlichen bis zu 100 Dämonen aus einer Pädagogik- und Theologiestudentin herausgehört haben. Unter anderem Adolf Hitler: »Ich hörte sein teuflisches Lachen.« Den Exorzisten war jedoch kein Erfolg beschieden. Offenbar siegten die Dämonen, die Studentin verhungerte. Weltliche Heiler hingegen sprachen damals von einer Epilepsie als Ursache und weigerten sich, die Aktivität des Teufels anzuerkennen.

Die Lage in Mainz ist ernst. Ernster denn je. Die örtlichen Exorzisten halten sich versteckt, sie befürchten Repressalien. »Keine Sorge«, möchte man den Mainzern zurufen, auch Laien können etwas gegen Satan tun. Gut platzierte Schutzgraffiti etwa können die Satansjünger zumindest eine gewisse Zeit von den Straßen fernhalten. »Fliehe Satan, du Erfinder und Meister allen Betrugs«, oder: »Höre auf, der Kirche zu schaden« - Parolen gibt es viele. Mainz bricht auf. Nachts sollen schon Chorknaben und Ministranten gesichtet worden sein, die die Türrahmen der Ketzer mit Weihwasser besprengen. Und ein neuer Slogan macht die Runde: »Kein Fußbreit den Satanisten!«