Welt der Warenform XVIII

Maxi-Nazi

Neulich wollte ich mal wieder niedrigschwellig kommunizieren. Ich hatte gerade Platten gekauft und das Ergebnis wollte ich per texto, wie SMS auf Französisch viel sexier heißt, einer Freundin mitteilen. Unter anderem erwarb ich die neue Robbie-Williams-Maxi, was nicht unbedingt besonders cool ist, bei meiner Freundin aber bestimmt gut ankommt. Dachte ich.

Mein Wörterbuch jedoch spuckt unter der Buchstabenfolge 6-2-9-4 zuerst das Wort »Nazi« aus: »Habe mir gerade neue Robbie-Williams-Nazi-CD gekauft.« Super. Man fragt sich wirklich, wie die darauf kommen. Nicht die »da oben« ausnahmsweise, sondern die Programmierer des Nokia-t9-Wörterbuchs.

Ein Anruf beim Nokia Customer Retention Center endete in wüsten Beschimpfungen. Der Mann am anderen Ende behauptete, ich würde zu häufig »Nazi« schreiben, das Programm sei nämlich lernfähig und warum ich sowas überhaupt tun würde. Nur um sicher zu gehen schrieb ich 50 textos, die nur aus dem Wort »Maxi« bestanden, aber nichts änderte sich. Das wunderte mich nicht weiter, denn aus Antifa-Schulungen wusste ich noch, dass dem Faschismus per Pädagogik nicht beizukommen sei. Der Nazi in meinem Telefon ist jedenfalls lernresistent.

Wie kommt man also zu der Annahme, »Nazi« sei ein häufiger benutztes Wort in Kurzmitteilungen als »Maxi«? Und das bei den vielen Jugendlichen, die ich überall auf der Straße, in der U-Bahn und in der Disko sehe, wie sie hochkonzentriert kleine Novellen über Popmusik in ihre Funktelefone hacken. Vielleicht hat sich auch, von mir unbemerkt, das Wort »Nazi« als superhippes Schimpfwort unter Jugendlichen etabliert: »Der Jan hat mit mir Schluss gemacht, die Nazisau!«

Jedenfalls kursieren in meinem Bekanntenkreis mehrere Theorien darüber, was das für Menschen sind, die Programmierer von Nokia. Vielleicht sind es Jugendliche, die sich beim Programmieren gegenseitig »Nazisau« und »Hitlerschlampe« rufen. So auch einst der kroatische Nachbar meines Freundes Immo, der ihn als Kind immer vor der rassistischen deutschen Nachbarin beschützte. »Halt's Maul, Hitlerschlampe!«

Meine Theorie aber ist, dass die Programmierer ehemalige SoziologiestudentInnen sind, die nach der Umschulung irgendwie Frust schieben, weil sie politisch nichts tun, und deswegen die Massen per Programmierung zur Beschäftigung mit dem Rechtsextremismus anhalten wollen. Jedesmal, wenn sich so ein Jugendlicher konsumistisch der Kulturindustrie hingeben will, poppt es wie ein Fanal auf dem Display: »Madonna-Nazi«, »Wu-Tang-Nazi«, »Tarkan-Nazi«. Da sollen sie mal drüber nachdenken.