Aus Wissenschaft & Technik II

Miles and Mehdorn

Das war keine fahrplanmäßige Woche für die Deutsche Bahn AG. Hartmut Mehdorn, ihr oberster Lokomotivführer, der sich dafür einsetzt, dass Züge so schnell fahren wie Flugzeuge fliegen, ist verzweifelt und kommt sich vor wie eine Draisine auf dem Abstellgleis.

Dabei wurde das »größte Infrastrukturprojekt in der Geschichte der deutschen Eisenbahn«, wie Mehdorn es nannte, der Öffentlichkeit vorgestellt: die Neubaustrecke Köln - Rhein/Main. Die Bahn AG habe ein »neues Zeitalter im deutschen Hochgeschwindigkeitsverkehr« eingeläutet, sagte Mehdorn im Rausch des Höhenflugs. »Und dabei schenken wir ihnen eine Stunde«, versprach der Gegner aller Bahnhofsmissionen. Denn der ICE 3 benötigt für die Strecke zwischen Köln und Frankfurt statt wie bisher über zwei Stunden nur noch 76 Minuten. »Die gewonnene Stunde bedeutet für Sie beispielsweise mehr Zeit für Ihre Familie, mehr Zeit für Ihr Hobby oder mehr Zeit für Ihren Beruf.« Und dafür zahlt man doch gerne das Doppelte.

Doch in Wirklichkeit ist der Zug für die Bahn AG längst abgefahren. Nur fünf Tage nach der Jungfernfahrt des ICE 3 testeten australische Forscher ein Düsentriebwerk für ein neues Überschallflugzeug. Mit einem Staustrahltriebwerk mit Überschallverbrennung erreichte der Scramjet beinahe die achtfache Schallgeschwindigkeit, Mach 7,6! Eines Tages soll er Flüge von London nach Sydney in nur zwei Stunden ermöglichen.

Da die bisherige Flugdauer rund 20 Stunden beträgt, schenkt uns der Scramjet also bald 18 Stunden für die Familie, das Hobby und den Beruf. 17 Stunden mehr als die Bahn AG. Mehdorn! Haben Sie gehört? 17 Stunden! Das ist Freizeitberaubung! Wenn nicht gar Nötigung! Geben Sie es zu, Sie Überflieger: Die Bahn hat den Anschluss verpasst!

Hat sie nicht? Sie planen schon den ICE 4? London-Sydney in einer Stunde? Einen Tunnel durch den Magmakern der Erde? Ach du stauverstrahlte Bahn AG!