Mit Barem behilflich

Die Debatte um Flicks Kunstsammlung | Hans Leyendecker

Berlin hat 47 Milliarden Euro Schulden. Der Kunstsammler F.C. Flick baut der Stadt ein Museum und leiht ihr seine Sammlung. Der Haken: Der Reichtum der Flicks begründete sich in der NS-Zeit, aber sie weigern sich, in den Fonds für die Zwangsarbeiter zu zahlen.

Menschen sind käuflich, Kunst ist käuflich und in Berlin waren zu allen Zeiten Politiker schon für kleine Erkenntlichkeiten zu haben. Mit melancholischen Idealisten ist kein Staat zu machen. Deshalb ist es nur konsequent, dass in der rot-rot-regierten Stadt der Steuer-emigrant Friedrich Christian Flick (»Mick«) nach langer vergeblicher Suche ein Domizil für seine Sammlung zeitgenössischer Kunst gefunden hat. Was in bedeutsam klingenden Worten als großer Schritt auf dem Weg zu einer Kulturmetropole gefeiert wird, entpuppt sich, von schmückenden Beiworten gereinigt, als Abweg und Heuchelei. Ein reicher Mann bekommt ein Denkmal gesetzt und darf den Familiennamen reinigen. Ein Politiker der PDS verteidigt das Unternehmen mit dem Hinweis, es handele sich um einen Anstoß zur Diskussion über deutsche Vergangenheit.

Neue Ebene. Er sei davon »überzeugt«, hat Mick vor Jahren seinem Onkel Friedrich Karl Flick (auch ein bekennender Steuerflüchtling) geschrieben, dass mit einer solchen »kulturellen Leistung der Name Flick auf eine neue und dauerhaft positive Ebene gestellt« wird. Straßburg, Dresden, Zürich wurden als Ausstellungsorte genannt. Daraus wurde nichts. Der Name Flick steht für Geld, das nach Blut und Schweiß riecht. Micks Großvater Friedrich Flick sen. war Hitlers wichtigster Rüstungslieferant und hat Tausendschaften von Sklavenarbeitern in seinen Fabriken zu Tode schuften lassen. Heinrich Himmler war er regelmäßig mit Barem behilflich.

Mick Flick hat ebenso wie andere Familienmitglieder von dem Alten ein riesiges Vermögen geerbt und die üble Herkunft eines Teiles des Geldes zumindest ließ sich nie verbergen. Als Mick seine Bildersammlung in Zürich ausstellen wollte, gab es dort eine erregte Debatte, ob man diese Gabe von einem Flick annehmen dürfe. Dutzende Kulturschaffender fertigten einen Aufruf und protestierten gegen Flicks »private Ablasswährung«, die Kunst. Im englischen Oxford scheiterte Micks Bruder Gerd-Rudolf (»Muck«) am öffentlichen Widerstand, als er vergeblich versuchte, einen Lehrstuhl zu initiieren, der den Namen Flick tragen sollte. Geld stinkt nicht. Manchmal stinkt der Name.

Nun dürfen Enkel nicht mit den Sünden der Großväter belegt werden, aber bei den Flicks fällt auf, dass sie sich ihrer Familienvergangenheit nie gestellt haben. Anders als die Krupps, die Quandts oder die Siemens-Sippe haben sie ihre Familienarchive nie geöffnet und sind mit ihrer Geschichte, einer sehr deutschen Geschichte, nicht angemessen umgegangen. Während viele andere Privatpersonen Millionensummen in den Fonds für Zwangsarbeiter zahlten, haben sich die Flicks geweigert. Nur unter Druck hat Mick eine eigene Stiftung gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gegründet, was eher ein Schachzug im Krieg um die Flick-Collection war.

Dass eine Flick-Collection nun ausgerechnet in der ehemaligen Reichshauptstadt ihren Platz finden soll, ist kurios und gleichzeitig eine Zustandsbeschreibung der Berliner Gesellschaft. Bei den Diskussionen in Zürich im Jahr 2001 war sich Christoph Marthaler noch sicher, dass die Kunst-Kollektion »in Deutschland wegen der Familiengeschichte der Sammler abgelehnt« würde. Aber im Souterrain des real existierenden Parlamentarismus in Deutschland ist die doppelte Moral der Normalzustand. Insbesondere der organisierten Linken haben Leute mit wirklich viel Geld immer schon mächtig imponiert. Moral ist auch nur ein Wort und die Umgehung von Moral und Regeln zum eigenen Vorteil gilt mittlerweile als pfiffig.

Bußrituale. Antje Vollmer erklärt allen Ernstes, man bekomme heutzutage »keine Stifter, wenn sie erst durch unsere protestantischen Bußrituale müssen.« Als eine Art Personenschützerin des Herrn Mick fungiert seit einer Weile Monika Griefahn, die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien (SPD). Auf Leibwächter schießt man nicht und zudem ist es schon eine Weile her, dass die Aktivistin einen Ruf zu verlieren hatte.

Aber alles ist an seine Zeit gebunden. Vielleicht kann auch ein Flick einen Neuanfang machen. Er ist 1975 in die Schweiz gezogen und hat in dem Steuerparadies als »private investor« sein Vermögen vermehrt, das heute auf 500 Millionen Euro geschätzt wird. Grob über den Daumen gerechnet hat der 58jährige pro Jahr etwa fünf Millionen Euro an Steuern in Deutschland vermieden. Die Vermögensteuer nicht berücksichtigt, hat er den deutschen Steuerbehörden etwa 125 Millionen Euro vorenthalten. Das ist etwa der Wert seiner Sammlung. Einer wie Flick darf im Land der Steueramnestie nicht heimatlos in der Fremde bleiben. »Ich bin Deutscher. Da sind meine Wurzeln. Heimat, Beständigkeit, Halt« hat Flick neulich gesagt. Das »sind Werte, mit denen ich aufwuchs und die mich heute beschäftigen«. Die Schweiz sei nur seine »zweite Heimat«.

In der alten Heimat könnte Flick auch noch ein paar Kleinigkeiten ordnen. Neben der Sammlung sollte ein Dokumentationszentrum eingerichtet werden, das der Familiengeschichte gewidmet ist. Wahre Mäzene (wie das Ehepaar Inge und Peter Ludwig) leihen nicht, sondern schenken. Ansonsten darf an der Uneigennützigkeit des Gebers gezweifelt werden. Durch die Präsentation im Museum wird der Wert einer Sammlung gesteigert, was für den Verleiher profitabel ist. Auch stört Außenstehende, dass bei den Verhandlungen in Berlin eine mit Mick Flick verbandelte Firma eine Rolle spielte, die in einer Steueroase residiert. Auch wenn das Stil im Hause Flick ist – es gibt Grenzen des Zumutbaren.

Hans Leyendecker ist leitender Politischer Redakteur der Süddeutschen Zeitung.