Das Menetekel

liebe ware

Produkte, die wir auch nach dem Kapitalismus nicht missen möchten. Der Alleskleber ist eine Hagiasofia der Begriffe: so stark, so schnell, so einfach. Er ist das Potenzmittel schlechthin: dosiert genau, steht sicher. Mal verspricht er Wirkung in Sekunden, mal wie der Blitz. Wie der Kapitalismus der einzige zu sein behauptet, an den wir uns klammern können in unserer Not, verheißt der Alleskleber Heilung, wenn alles in Scherben fällt. Schon diese Hybris, zu behaupten, er könne alles kleben, macht ihn zu einem höheren Wesen. Auch die Warnhinweise auf der Rückseite verraten seine Zauberkraft. Hautverklebungen, Augenlider, die sich nicht öffnen lassen. Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen. Seit Jahrzehnten warte ich auf die Schlagzeile: »Ehefrau verklebt Vorhaut ihres schlafenden Mannes mit Zweikomponentenkleber. Seine Geliebte hieß Karin.«

»Warum«, werden Sie nun fragen, »hat er stets einige Tuben mit Alleskleber in seiner Schreibtischschublade?« Ganz einfach: Es ist immer zu viel in der Tube. Auch in dieser Hinsicht ähnelt er dem Kapitalimus. Man braucht ihn gelegentlich ein bisschen, aber nicht in den Mengen, in denen er geliefert wird. Grundgütiger! Wer braucht drei Gramm Alleskleber? Die Folgen dieses Überflusses sind bekannt. Die eine Tube ist steinhart, aus der zweiten kommt nichts raus, weil die Düse verklebt ist, und die dritte Tube ist ausgelaufen und hat sich ins Holz verbissen. So ist der Alleskleber auch ein Menetekel. Wer alles klebt, klebt bald selber.

peter o. chotjewitz