Alle Wege führen zu Kerry

raucherecke

Die etwa 20 Plakate der Organisation vote 44 bleiben während der Kundgebung unbeachtet liegen. Wer erwartet hatte, die expats, die im Ausland lebenden US-Bürger, würden im amerikanischen Stil »gegen die Politik von George W. Bush« demonstrieren und mit den Plakaten im Kreis herumlaufen, wird enttäuscht. Nur wenige expats haben sich am Samstag am Brandenburger Tor eingefunden, und auch deutsche Bush-Gegner lassen sich nicht blicken, obwohl der Demonstrationsaufruf sogar im U-Bahn-Fernsehen präsentiert wurde.

Matt Lethika, der Gründer von vote 44, ist dennoch zufrieden. Er sieht die Aktion »sehr positiv«, und zumindest ihrem praktischen Ziel sind die Organisatoren etwas näher gekommen. Um Bush, den 43. US-Präsidenten, am 2. November abzulösen, will vote 44 gemeinsam mit American Voices Abroad (Ava) die expats für die Wahlen mobilisieren. Die meisten expats haben die komplizierte Registrierungsprozedur bislang gescheut, hier wird ihnen beim Ausfüllen der Formulare geholfen. Schon vor dem Ende der Kundgebung haben neun US-Amerikaner diese Möglichkeit genutzt.

»Mein Vater ist sehr politisch, er hat mich deswegen angerufen«, sagt Michael Clifton, der sich zum ersten Mal als Briefwähler registrieren lässt. »Natürlich« werde er John Kerry wählen, bekundet der Schlagzeuger aus Denver, und er erwartet auch, dass sich nach der Abwahl Bushs die US-Politik ändern werde.

Die Organisatoren sind da weniger optimistisch. »Das werden wir sehen«, meint Pamela Selwyn von Ava. Der »Druck der Straße« sei notwendig, vor allem aber »ein neues Abgeordnetenhaus«. Ihr sind vor allem »die Themen« wichtig. Auch Matt Lethika betont, vote 44 sei parteipolitisch neutral. Jemand anders als Kerry habe »in diesem System keine Chance«, man werde sich jedoch nicht scheuen, auch gegen Kerrys Politik zu protestieren und gegebenenfalls vote 45 zu gründen.

1968, auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges, stellte die radikale Jugendbewegung der Yippies das Schwein Pigasus als Präsidentschaftskandidaten gegen Republikaner und Demokraten auf. Ein Hauch von Woodstock ist noch zu spüren, wenn auf der Bühne zur akustischen Gitarre Friedenslieder intoniert werden. Doch die liberalen und linken expats scheinen sich mit dem Zweiparteiensystem, das noch weniger Alternativen zulässt als die politischen Strukturen anderer westlicher Staaten, abgefunden zu haben.

maxim kammerer