Der Aussteiger

ich-ag der woche

Wer den ganz anderen, den neuen Weg geht, seiner Zeit voraus ist, wer das Bestehende in Frage stellt und den Bruch wagt, hat es noch nie leicht gehabt. Vorschnell wird der Aussteiger auch heutzutage noch mit einem leicht esoterisch angehauchten Haschbruder in eins gesetzt, der in hippiesker Landidylle das Garn für seine Unterwäsche selbst spinnt, nichts zu sich nimmt, was nicht auf seinem Hof gewachsen ist, und des Nachts mit Gleichgesinnten auf einem großen Matratzenlager unerhörte Dinge tut.

Kein Wunder also, dass Worte wie »abenteuerlich« und »pervers« fielen, als der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, vorschlug, aus dem System auszusteigen. Besser gesagt, er meinte, die Unternehmer sollten das Sozialsystem Sozialsystem sein lassen. Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Hermann-Josef Arentz, der sich am wenigsten von allen Kritikern im Zaum halten konnte, sprach sogar von einer »Kriegserklärung an den Sozialstaat«.

In einem Interview mit der Zeit hatte Rogowski auf die Frage, welchen Beitrag der Industrie zu den Sozialsystemen er für angemessen halte, geantwortet, das Schaffen von Arbeitsplätzen sei genug, »während die Beschäftigten die soziale Sicherung und das Gesundheitssystem selbst finanzieren« sollten. »Die primäre Verantwortung der Unternehmen liegt nun einmal nicht in der Sozialfürsorge.«

»Verständnis für mehr Freiheit« wollte er wecken, der Aussteiger, getreu dem Motto »Freiheit ist immer die der anderen Unternehmer«. Wer nun aber meint, dem BDI-Präsidenten schwebten schlimme amerikanische, turbocasinoraubtierkapitalistische Verhältnisse vor, liegt ganz falsch. »Unternehmer sollten einem Wertgerüst folgen, das sich aus dem Christentum und dem Bild des ehrbaren Kaufmanns ableitet.« Da ist man doch beruhigt.

regina stötzel