Idylle mit Nazi

raucherecke

Schöner könnte der Sonntag nicht sein. Schon in den frühen Morgenstunden strahlt die Sonne auf Gründerzeitvillen mit liebevoll begrünten Vorgärten und die Grundschule in Dresden-Strießen. Hier befindet sich eines der vielen Wahllokale der sächsischen Landtagswahl. Immer wieder kommen vereinzelt fast ausnahmslos ältere Herrschaften, die ihren Vormittagsspaziergang mit dem Gang zur Wahlurne verbinden. Sie kämpfen sich gelassen an der herumstehenden Journalistenschar vorbei, die so gar nicht in diese idyllische Umgebung passen will.

Jeder, der in die Schule hineinwill, muss erst mit den Füßen Holger Apfel treten. Geschrieben auf den Stufen steht: »Apfel Holger – Nazischwein – Smash NPD«. Dem Hausmeister gelang es nur notdürftig, vor Öffnung des Wahllokals die Schrift zu verwischen, gut leserlich blieb sie trotzdem.

Und während eine ältere Dame mit ihrem Pudel darauf wartet, dass sie ihren Gatten in der Wahlkabine ablösen kann, kommt Bewegung in die Szene. Es ist 10.20 Uhr, als endlich das passiert, worauf die versammelte Medienschar wartet: Der Spitzenkandidat der NPD bei der sächsischen Landtagswahl, Holger Apfel, erscheint, eskortiert von Stefan Rochow, dem JN-Bundesvorsitzenden, Jens Pühse vom Verlag Deutsche Stimme, weiteren Neonazis und zwei Sicherheitsleuten. Krampfhaft bemüht um ein seriöses Äußeres, haben sie sich alle in Anzug und Krawatte geworfen. Apfel genießt sichtlich das Interesse der Medien und nimmt bereitwillig, je nach Zuruf der Fotografen, mal diese und mal jene Position ein. Gefragt, mit wie vielen Prozenten er für seine Partei rechnet, grinst er siegessicher: »Ich rechne damit, dass die NPD heute Abend in den Landtag einziehen wird.«

So schnell er mit seinen Begleitern gekommen ist, so schnell verschwindet er auch wieder, und die Journalisten ebenso. Sie haben an diesem Tage noch allerlei weitere Termine. Zurück bleibt die sonntägliche Idylle einer Vorstadtsiedlung. Ein Wähler, der kurze Zeit später eintrifft, fragt verwundert: »Welcher Prominente gab sich denn hier die Ehre?« Aufgeklärt darüber, dass der »Prominente« ein Neonazikader war, sagt er: »Na, hoffentlich kommen sie nicht rein, aber wahrscheinlich wohl doch.« Ähnlich äußern sich einige der nunmehr eintrudelnden jüngeren Wähler. Dass Neonazis eine Wahlalternative sein könnten, glauben sie nicht. Immer wieder bekommt man auf Nachfrage aber auch das zu hören, was sattsam aus der NPD-Propaganda bekannt ist. »Die Etablierten machen doch nüscht!«

peter conrady