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raucherecke

Acht Uhr früh, das ist echt frech! Zu dieser nachtschlafenden Zeit stolpere ich nach Berlin-Mitte. In einer provisorisch eingerichteten Fabriketage treffe ich eine ähnlich bunte Kreuzberger Mischung von Leuten wie am Abend zuvor in der Kneipe. Alle schauen etwas verunsichert in die Runde.

Eingeladen hat uns die Stiftung Jagoda, die sich seit neuestem »Agentur für Arbeit« nennt. Unsere Stipendien sollen überarbeitet werden, denn ab Januar hängen die Trauben deutlich höher. Die Tagesaufgabe: den 16seitigen Antrag auf das Arbeitslosengeld II unter Anleitung ausfüllen.

An einen Kaffee zur Begrüßung hat keiner der fünf um uns herum wuselnden Betreuer, davon vier vermutlich türkischer Herkunft, gedacht. Aber ihren gierigen Blicken entgeht keiner der Einladungsbriefe, denn die bedeuten für ihre Beratungsfirma richtiges Geld. Wir Geladenen achten natürlich auch peinlich genau darauf, dass unsere Anwesenheit registriert wird. An diesem Morgen zu verschlafen, das hätte bis zu drei Monate Verzicht auf das Stipendium bedeutet. Als einer bemerkt, dass auf den Einladungen eine falsche Hausnummer angegeben ist, bricht Tumult aus. »Warum ist mir das nicht aufgefallen?«, frage nicht nur ich mich. Das wäre ja eine tolle Ausrede gewesen.

Nun gut, jetzt bin ich hier: Der sehr freundlich aussehende Kursleiter begrüßt uns, ohne seinen Namen zu nennen, und ist sofort beim »Du«. Dass er perfekt Türkisch spricht, kommt, grob geschätzt, der Hälfte der Anwesenden zugute. Als wir erfahren, dass es an diesem Tag noch zwei weitere »Gruppenberatungen« gibt, davon eine sogar erst am Nachmittag, sinkt die Stimmung.

Sie hebt sich aber sofort wieder, als er uns erklärt, dass wir uns »um Datenschutz keine Gedanken machen« sollen. Seine Firma bringe die Anträge direkt, ohne neugierigen Postbeamten eine Chance zu lassen, zum Arbeitsamt. Mit diesen Worten beruhigt, gehen wir nun alle zusammen die Anträge durch.

Beim dringendsten Problem für Kreuzberger, ob es sich bei einer Wohngemeinschaft wohl um eine »Haushaltsgemeinschaft« oder gar um eine »Bedarfsgemeinschaft« handeln könnte, gibt der Kursleiter sogar brauchbare Tipps. Bei den ersten schwierigeren Fragen muss er allerdings passen. »Ich darf keine Rechtsauskunft geben«, meint er und verweist uns auf unsere Arbeitsberater. Als Ausgleich bietet er zum Abschied noch eine richtige Verbrüderung an: »Wir sind hier doch alle auch nur ABM.«

benjamin kaminski