Verzollen im Bermuda-Dreieck

raucherecke

Über den leeren Tischen, an der leicht angegilbten Wand, neben Plakaten der Rolling Stones und verschiedener Blues-Bands, hängt ein Bildnis Erich Honeckers. Es passt zum »Bermuda-Dreick«, einer Kneipe in Berlin-Kreuzberg, die wohl schon einmal bessere Zeiten gesehen hat.

Nur ein Mann sitzt am Tresen an diesem frühen Abend, er erzählt der Kneipenwirtin von einer Einladung zum Essen bei seiner Nachbarin. Die Wirtin hört geduldig zu, zapft ein neues Fass an, dann plagt sie sich mit dem Kohleofen, der nicht richtig zieht. »Gerade jetzt, da es kalt wird«, klagt sie. Sie behandelt ihre Gäste liebevoll und zuvorkommend. Das Bermuda-Dreieck ist was fürs Herz.

Langsam füllt sich die Kneipe, die Leute, um die 40 Jahre oder älter, scheinen sich gut zu kennen. Einige dürften jeden Abend hier verschollen sein. Es läuft Reggae-Musik, ein Bier nach dem anderen geht über den Tresen, auch mit kaputtem Ofen wird es wärmer.

Da geht plötzlich die Tür auf, und sechs Männer und eine Frau betreten zackig und entschlossen die Pinte. Sie tragen Uniformen, sagen nicht »Guten Abend« und blockieren die Fluchtwege und die Eingangstür. Ist das Bermuda-Dreieck in Wahrheit ein Umschlagplatz für harte Drogen? Wird hier mit Waffen gehandelt? Werden in den Hinterzimmern Asylbewerber versteckt? Befinden wir uns gar nicht in einer liebenswerten Spelunke, sondern in der Krimiserie »Miami Vice«?

Die Störenfriede sind vom Zoll. Auf den dicken grün-weißen Dienstwagen, die vor der Kneipe in zweiter Reihe geparkt sind, steht geschrieben: »Zoll-stoppt-Schwarzarbeit.de«. Die Zollbeamtin, die aussieht wie eine Polizistin und spricht wie eine Brigadegeneralin, verlangt von der Wirtin die Papiere. Die wird unsicher und erzählt, dass sie ihren Ausweis nicht dabei habe, sie könne nur die Lizenz der Gaststätte vorweisen.

Die Zollbeamten schauen grimmig drein. Würden sie am liebsten losballern? Eine standrechtliche Erschießung, gleich an Ort und Stelle? Warum wirken sie so missmutig? Sie haben doch noch einen Job und müssen nicht schwarzarbeiten, um das Arbeitslosengeld oder die Sozialhilfe ein wenig aufzustocken.

Sie scheinen keine Kneipen zu mögen, in denen Bilder von Honecker hängen. Und erst recht keine Kneipen, in denen sie nicht fündig werden. Noch schlechter gelaunt ziehen sie wieder ab. Sie steigen in ihre Limousinen und jagen hinaus in die Nacht, Schwerverbrechern hinterher, die sich auf unser aller Kosten bereichern.

»Mist, ich hab’ doch meinen Ausweis vor kurzem verloren«, sagt die Wirtin und zapft wieder ein Bier. Und Erich Honecker lächelt wissend auf die Durstigen herab, als wolle er lästern: »Hab’ ich es euch nicht immer gesagt?«

josé maragosa