Pistenpflüger sein

liebe ware

Produkte, die wir auch nach dem Kapitalismus nicht missen wollen. Früher konnte ich nichts anfangen mit dem Skifahren. Morgens zu einer menschenunwürdigen Zeit ins Skigebiet zu fahren, sich in garantiert drückende Ski-Schuhe hineinzuquälen, viel zu lange vor Bügelliften zu warten und dann bei Minusgraden den Berg hinunterzurutschen, was soll daran toll sein?

Zugegeben: Ich war schlecht. Ich fuhr breitbeinig, zur Not Pflug, und Tiefschnee war für mich die Todeszone. Dabei gibt es beim Skifahren nichts Erniedrigenderes, als miterleben zu müssen, dass praktisch jeder besser fährt als man selbst. Wenn alle unheimlich elegant die Buckelpiste hinunterwedeln, fühlt man sich als Breitbein wie Charlie Chaplin auf Skiern.

Aus irgendwelchen Gründen habe ich mich nun nach zwölf Jahren doch nochmals auf die Suche nach dem Ski-Spaß begeben. Und ich muss sagen: Alles war anders als früher. Was vor allem daran lag, dass die Skier anders waren als früher. Die so genannten Carving-Skier, klobige, kurze Dinger, haben die herkömmlichen Bretter fast vollständig verdrängt. Das Ganze ging vonstatten wie der Wechsel von Vinyl zu CD, Carving-Skier beherrschen nun den Markt, und was anderes wird gar nicht mehr hergestellt.

Und das zu Recht, denn Carving-Skier sind großartig. Sie haben den Klassenkampf auf den Pisten beendet. Man stellt sich auf die Skier, geht in die Knie und die Kürvchen kommen bald von ganz alleine. Dank Carving muss man nun nichts mehr können, um Ski fahren zu können. Mit alten Skiern wäre ich wohl wieder ein Pistenpflüger gewesen, doch so habe ich mich gefühlt wie ein Skilehrer. Und: »Anton von Tirol« ist eine echt super Nummer.

andreas hartmann