Reiche Eltern für alle!

raucherecke

Auf dem Plakat ist eine Mücke in Großformat abgebildet, die gierig zusticht. »Blutsauger haben ein kurzes Leben, und Studiengebühren zerstören Lebensentwürfe.« Also wird die Mücke wohl irgendwann an ihrer Gier zu Grunde gehen. Oder vorher macht sie einer platt. Zum Beispiel der gemeine Student, der sich arg von ihr belästigt fühlt. Das Plakat ist nur der Aufruf zur Leipziger Demonstration gegen Studiengebühren. Denn am 26. Januar erging das Urteil, dass Gebühren an Hochschulen nicht verfassungswidrig sind.

Am 3. Februar gehen in Leipzig rund 8 000 StudentInnen demonstrieren. Kalt ist es. Die lange Schlange zieht sich durch die Innenstadt, dann über den Ring zum Bundesverwaltungsgericht. Studierende der Medizin bezeichnen sich als »Weiße Front«, denn »Studiengebühren sind schwarz«. Ein Student hat sich als Burschenschaftler verkleidet. Er trägt Anzug und Hut, einen Beutel voller Schokogeldstücke und einen schwarz-rot-goldenen Staubwedel. Damit räumt er mit Deutschland auf oder eben andersherum. Die Demonstration hält er für »besser als nichts«, dann verschwindet er in der schweigenden Masse. Transparente ziehen vorbei: »Lass mich dein Humankapital sein! Untergehen wird der Staat, der am falschen Ende spart.« Ein paar StudentInnen grölen: »Wir sind keine Sozialsparschweine!« Auf dem kleinen Lastwagen schreit Kristin aus Halle etwas von »alle auf einmal exmatrikulieren«, und aus den Fenstern des Neuen Rathauses glotzen die Angestellten.

Am Ende ein bisschen Folklore. »Die Gedanken sind frei und die Bildung auch« oder so ähnlich, gesungen von dem Studenten, der schon die ganze Zeit am Lautsprecher den Entertainer spielt. Dann steht der Vertreter der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften, Benjamin Schulz, am Rednerpult. »Wir können lächeln«, sagt er, überwältigt vom Anblick der Masse. Ja, noch. Erst recht, wenn man seine ganze »Hoffnung in die SPD« setze. Der Sprecher der SPD sagt im Anschluss, mit seiner Partei werde es keine Studiengebühren geben. Und das sei keine populistische Forderung. Gegen Studiengebühren ist übrigens auch die NPD, aber die ist bei der Demonstration nicht vertreten. Benjamin Schulz betont, es werde keinen Zusammenschluss mit der NPD geben. Die Masse signalisiert Zustimmung.

In manchen Beiträgen klingt die Angst durch, das Niveau der Uni könnte sinken, wenn Studierende aus Bayern oder Hamburg zum gebührenfreien Studium in die Stadt strömen. Wie wäre es damit: »Reiche Eltern für alle«?

claudia seidel