Unter Strom

liebe ware

Produkte, die wir auch nach dem Kapitalismus nicht missen wollen. Die Revolution wird uns alle schlauchen, sie wird Opfer fordern, auch der Verlust von Händen, Füßen, Brüdern und Müttern muss wohl oder übel in Kauf genommen werden. Blaue Augen, ausgeschlagene Zähne. Schön ist das nicht. Doch dann ist endlich Zeit für Körperpflege.

Selbst nach der besten Revolution werden nicht nur innere Werte zählen, sondern auch die äußere Erscheinung. Doch wo Geld und Autos nichts mehr bedeuten und IQ und Konto nicht mehr zählen, dürfen wir uns endlich um oberflächliche, banale Dinge und um Äußerlichkeiten kümmern. Essenziell für das Fortbestehen im Genpool werden auch weiße Zähne sein – »survival of the chicest«.

Da, wo körperliche Anstrengung tabu ist, vermag es nur die elektrische Zahnbürste, den Ansprüchen von Effektivität und Nutzen gerecht zu werden. Schluss mit alten vorelektrischen Bräuchen wie manuellem Schrubben »von rot nach weiß in kreisenden Bewegungen«. Alles, was noch zu tun bleibt, ist, die Paste auf die Bürste zu geben und das Gerät in die entsprechende Position zu bringen. Die Mundraummassage gibt es kostenlos dazu. Wo der Strom dafür herkommen soll?! Keine Ahnung, aber eine Revolution, nach der es keine Elektrizität gibt, ist eh für die Katz. Luxus, Lotterleben und dabei möglichst gut aussehen – das sollte die minimale Zielsetzung für das Leben danach sein. Und wenn alles schief geht und der Kampf um die Straße doch wieder einer um Nahrung und Feuer wird, werden kräftige Zähne erst recht unabdingbar sein.

janett bielau