Zeit der Wunder

ich-ag der woche

»Steh auf und wandle!«, soll Jesus seinerzeit dem einen oder anderen geraten haben, dessen Beine es nicht mehr so recht taten. Und in Nullkommanix, so ist es überliefert, seien die Betreffenden wieder umherspaziert.

Seither hat sich nicht viel geändert, bloß geschehen heutzutage die wundersamen Heilungen auf Amtswegen. Da nur existiert, wer Papiere hat, die es belegen, kann auch nur laufen und arbeiten, wem das vom Amt bescheinigt wird. Drei Stunden sind doch nicht zu viel verlangt, Alter, Krankheit, Lahmheit, Koma hin oder her.

In den vergangenen Wochen sollen sich vermehrt solche kleinen Wunder zugetragen haben, die jedoch weniger den offiziell Geheilten als vielmehr den Sozialämtern Glück brachten. Für die neuen »Erwerbsfähigen« sind wegen Hartz IV nämlich nicht mehr die Sozialämter zuständig, sondern die Jobcenter. Was die Kommunen sparen, muss der Bund bezahlen. In den Sozialämtern dürfte es nicht anders zugegangen sein als bei wohlbeleumundeten Bürgern, wenn sie ihre Steuererklärungen ausfüllen. Da wird gern einmal ein Auge zugedrückt, flott etwas dazugedichtet, etwas anderes geflissentlich übersehen, eine Sache bekommt einen neuen Namen, das Ganze wird in die gewünschte Richtung interpretiert, Unterschrift drunter, Stempel drauf, und schon ist das eigene Budget entlastet.

Die »Erwerbsfähigen« werden in der nächsten Zeit ihre ganze Kraft darauf verwenden müssen, Jobcenter und Sozialämter, Bund und Kommunen, Ärzte und Krankenkassen zu kontaktieren, Papiere auszufüllen, Untersuchungen über sich ergehen zu lassen usw., um Nachteile abzuwenden. Das wird sie locker drei Stunden pro Tag beschäftigen. So ist der Beweis erbracht, dass die Regierung die Menschen mit den Hartz-Reformen tatsächlich wieder in Arbeit bringt. Sogar die Langzeitarbeitslosen. Ein Wunder!

regina stötzel