Zukunft war gestern

platte buch

Techno ist nicht am Ende, doch die Jugendkultur ist in die Jahre gekommen und trägt inzwischen einen Bart. Die Love Parade ist wohl endgültig Geschichte, und in diesen Tagen schließt in Berlin der Tresor-Club und damit eine der wichtigsten Brutstätten der Bewegung. Dazu passt, dass nun auch Juan Atkins, dem zugeschrieben wird, Techno erfunden zu haben, ein Resümee zieht. Gleich zwei neue Platten gibt es von ihm. Die eine, »The Berlin Sessions«, ist eine Art Abschiedsgeschenk an den Tresor, an den Club, der ihn und seinen Detroit-Techno erst populär gemacht hat. Produziert hat Atkins die Platte zusammen mit dem Berliner Pacou, also mit einem seiner Zöglinge im Geiste. Erst durch das Hören von Atkins und seinen Technokollegen aus Detroit kam Pacou überhaupt zum Produzieren. Die Zusammenarbeit mit einem seiner Idole muss wie ein Ritterschlag für ihn gewesen sein. Dennoch haut einen »The Berlin Sessions« nicht vom Hocker. Es fehlt schlichtweg der Soul, der Funk oder der Jazz, irgendeine spezielle Note. Und so rattern die Tracks vor sich hin, ohne dass man von ihnen groß berührt würde.

Ganz anders dagegen die verdienstvolle Werkschau »20 Years/1985–2005«. Hier sind sie alle nochmals zu hören, Atkins’ Technoklassiker, die er unter Pseudonymen wie Cybotron oder Model 500 in all den Jahren produziert hatte. Man ist überrascht, wie rau diese Musik damals klang, als einfach nur ein paar Maschinen vor sich hin ratterten und versucht wurde, Kraftwerk und EBM in etwas Neues zu überführen. Wie rau und doch visionär und voller Seele. Früher war alles besser.

andreas hartmann

Juan Atkins: The Berlin Sessions. 20 Years / 1985–2005. Beide Tresor-Records