Bäume atmen auf

liebe ware

Produkte, die wir auch nach dem Kapitalismus nicht missen wollen. Das Gefühl, ganz dringend eine Toilette besuchen zu müssen, ist kein schönes. Trotz des ganzen Gender-Gefasels ist spätestens bei diesem Bedürfnis offensichtlich, wer biologisch klar im Vorteil ist. Statt sich beschämt über diesen natürlichen Bonus zu zeigen, haben sich Männer aber irgendwann dazu entschieden, jeden Baum, jede Wand oder Straßenlampe als öffentliche Toilette zu benutzen. Es war deshalb auch ein Mann, der das versenkbare Pissoir, den »Urilift« erfunden hat. Bisher steht er leider nur in holländischen und britischen Parks. Tagsüber lässig als Gullideckel getarnt, entpuppt er sich nachts als Stehpissoir für Männer. Wie von Geisterhand erhebt sich das Urinal ab 22 Uhr aus der Versenkung. Weitere Beschilderungen oder Anweisungen seien nicht nötig, meint der Hersteller, denn der Kunde wisse »instinktiv, was zu tun sei«.

Wo Instinkt über correctness siegt, sollte eine Frau nicht intervenieren. Schließlich erleichtert auch ihr der Urilift das Leben. Es ist nicht mehr nötig, zehn Meter vor dem Mann zu gehen und unter den beschämenden Blicken anderer Fußgänger zu warten. Auch der üble Geruch bleibt ihr erspart, denn desinfizieren kann die neue Generation der Pissoirs auch. Eine zusätzliche Vorrichtung zum Händewaschen würde das hydraulisch versenkbare Urinal allerdings perfektionieren, dann könnte man sich zum Abschied die Hände reichen und müsste nicht mit einem kurzen »… naja, bis bald!« auseinander gehen.

janett bielau