Rot-Grün muss sein

in die presse

Sollten Sie gelegentlich die taz lesen oder ab und an Kneipen aufsuchen, in denen das einschlägige Publikum verkehrt, ist er Ihnen bestimmt nicht entgangen, der »Wechsel des politischen Klimas«, von dem in der neuen Abokampagne der taz die Rede ist. Keine Sorge, es geht nicht um eine neue Eiszeit oder die globale Erwärmung, sondern nur um den Wechsel von der Regierung zur Opposition und umgekehrt, der für die Beteiligten unangenehm sein mag, bei dem es sich aber um einen schnöden administrativen Vorgang handelt, dem alle anderen ebenso gleichgültig entgegensehen können wie Beförderungen bei der Bundeswehr oder Pensionierungen bei der Bundesbahn.

Die taz aber ist nicht unbeteiligt, weshalb sie weiß, dass es ab Herbst »ungemütlich in Deutschland« werde. Doch wo die Regierung kapituliert hat, zeigt die taz ihre Krallen. Sie erinnert sich an die Kampfzeit und an die damals vortrefflich funktionierenden ästhetischen Mittel und führt eine Kampagne mit Aufklebern und Buttons, die die Werbung um neue Abonnements mit einer Wahlempfehlung verbindet.

Eines der Motive zeigt ein behelmtes Konterfei Angela Merkels vor dem Star Spangled Banner. »Why?« steht darunter. Für eine Zeitung, die zusammen mit ihrer Regeierung gegen den Krieg im Irak war, beim Kosovo-Krieg aber einen Frontmann wie Erich Rathfelder hatte, ist das eine Aussage, die nicht einer gewissen Kühnheit entbehrt.

Ein anderes Motiv zeigt die lachende Sonne, mit der die Gewerkschaften einst um die 35-Stundenwoche kämpften. Nun schaut die Sonne recht verdrießlich, weil sie über einer 53 strahlen muss. Erinnert sich jemand an das letzte Mal, als es um die 35-Stundenwoche ging? Das war im Sommer 2003 und die IG Metall kämpfte vergeblich um die Angleichung der Arbeitszeiten im Osten, was die taz zum Anlass nahm, ihr »Realitätsferne« zu attestieren und sie dazu aufzufordern, zur »Gemeinwohlorientierung« zurückzukehren. Schließlich das schäbigste aller Motive: Merkel mit Schweinsgesicht, darauf die originelle Aufschrift: »Pfui Sozialbbau – Ferkel muss weg!« Denn früher, also jetzt, als es noch gemütlich war in Deutschland, hieß Sozialabbau noch »Reform« und wurde in den Kommentaren der taz mit einer Verve verteidigt, die jeden Sozialneider vor Scham erröten ließ. Doch die Abokartei der taz reicht für einen Wahlsieg leider nicht aus.

melis vardar