Gefühlte Bevormundung

in die presse

Eigentlich verabscheut der Deutsche die Macht. Gern würde er auf sie verzichten, wäre da nicht die schwere Last der Verantwortung, die zu übernehmen ihm sein Gewissen gebietet. Man habe »nie aus eigenem Antrieb nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat gedrängt«, behauptete Außenminister Joschka Fischer im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Im Rahmen der UN-Reform aber habe man sich nicht verweigern können, »das hätte niemand verstanden«.

Wo aber sind die Drängler nun, da man sie braucht? Nachdem die Afrikanische Union ihre Ablehnung der deutschen UN-Reformpläne und den Anspruch auf ein Vetorecht für zwei afrikanische Staaten in der vergangenen Woche bekräftigte, ist der deutsche Sitz in noch weitere Ferne gerückt. Ein Interessenkonflikt? Keineswegs, meint Arne Perras in der Süddeutschen Zeitung. »Die Beharrlichkeit Afrikas, seine eigenen utopischen UN-Pläne weiter zu verfolgen und so das Konzept der G-4-Gruppe Deutschland, Japan, Indien und Brasilien zu demontieren, ist jenseit von Afrika schwer zu begreifen«, grübelt er.

Perras findet die »eigenwilligen Motive« für diese unverständliche Haltung dann in der nicht aufgearbeiteten Geschichte. Zwar ist die »Mischung aus missionarischem Bekehrungseifer, nationalistischer Verblendung und imperialer Arroganz« eine Sache der Vergangenheit. »Psychologisch aber ist die kollektive Erfahrung von Ausbeutung und Ausgrenzung noch immer wirkmächtig.« Nun sei bei den Afrikanern der Eindruck entstanden, dass man ihnen »wieder etwas aufzwingen will; dass andere formulieren, was für die Afrikaner gut sein soll«. Diese »gefühlte Bevormundung« habe eine »trotzige Befindlichkeit« erzeugt, das Bestehen auf einem Vetorecht sei »vor allem Ausdruck verletzten Stolzes«.

Es ist schon traurig. Obwohl Paternalismus und Rassismus aus der deutschen Politik und Presse längst verschwunden sind, müssen die Deutschen auf ihren Sitz im Sicherheitsrat verzichten, nur weil die Afrikaner zu rationalen Entscheidungen unfähige Träumer und Sensibelchen sind.

maxim kammerer