Tötet Bob Marley!

platte buch

Die neue Public-Enemy-Platte bringt’s ja gar nicht, da fehlen die Sirenen, der Lärm, das Schmerzende. Das jedoch haben wir hier, auf dieser feinen Singles-Compila­tion des Labels Razor X, das so klein zu sein scheint, dass es Zuflucht bei einem anderen kleinen Label, Rephlex, gesucht hat, um diese Werkschau überhaupt einigermaßen angemessen präsentieren zu können. Razor X ist der Ragga-Clash-Laden von Kevin Martin aka The Bug und The Rootsman, die sich beide seit Jahren redlichst darum bemühen, jamaikanische Soundsystemmusik auf gar keinen Fall mit Bob-Marley- und Sunshine-Reggae-Klischees in Berührung kommen zu lassen.

Vor allem Martin, der von Schmerzensrock bis Free Jazz schon alles durch hat, womit man seine Eltern erschrecken kann, hat sich inzwischen einen Namen als echter Dancehall-Brutalo gemacht. Dancehall, so macht er immer wieder deutlich, sei letztlich die Form Kampfmusik, von der er eigentlich immer geträumt hatte.

Auf Razor-X-Produktionen gibt es dann auch mehr Krach und überbordende Energie, als ihn jede Punkband heute noch hinbekommen könnte. Unterschiedlichste MCs wälzen sich in scheppernden Breakcore- und halbverdauten Dancehall-Beats, Jah der Allmächtige und Hans Söllner sind da ganz schön weit weg. Auf die Dauer sind die permanenten Beatexplosionen und Krachkaskaden natürlich ziemlich anstrengend, Kevin Martin und seine Kollegen kennen da nichts: Tod durch Überforderung halten sie wahrscheinlich für einen schönen Tod. Doch als Alternative zu den oftmals einfach nur hingeschlampten neueren Breakcore-Platten und dem geschmacksfixierten Roots-Reggae-Reissue-Wesen ist dieser geballte Razor-X-Auswurf, der unter dem Titel »Killing Sound« geradezu programmatisch zusammengefasst wurde, absolut begrüßenswert.

andreas hartmann

Razor X (The Bug vs. The Rootsman): Killing Sound (Rephlex/Neuton)

The Bug spielen live am 13. Januar im Kapital Berlin