Weltmeisterdingsbums

ich-ag der woche

Manchmal hat der Kapitalismus wenn nicht eine zivilisierende, so doch eine mäßigende Wirkung. Zum Beispiel dann, wenn die Anbieter von Waren und Dienstleistungen aller Art erst mal ordentlich Tantiemen abdrücken müssen, bevor sie ihren Plunder mit dem ungemein werbewirksamen Zusatz »WM« versehen und ihren potenziellen Kunden mit »WM-Keksen«, »WM-Taschentüchern« oder »WM-Tütensuppen« auf den Nerv gehen können. War die Liste der offiziellen WM-Sponsoren und allem dazugehörigen WM-Dingsbums schon jetzt unerträglich lang (Jungle World, 16/06), droht nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs, demzufolge »Fußball-WM 2006« keine exklusive Marke ist, ein noch viel größeres Unheil.

Jetzt, da Hinz und Kunz die Marke nach Belieben verwenden dürfen, ohne einen Cent an den Weltfußballverband zu zahlen, wird man sich nicht retten können vor »Weltmeisterbrötchen«, »Weltmeisterdöner« und »Weltmeisterspreewaldgurken«. Damit nicht genug: Warum sollten andere Gewerbetreibende freiwillig auf die sagenhaften Profite verzichten, die sich durch das Etikett »WM« quasi von selbst einzustellen versprechen? Neben den »WM-Fritten« wird es also aller Voraussicht nach auch die »WM-Titten« geben, mit denen das »älteste Gewerbe der Welt«, das sich, wie die Fachpresse von Spiegel bis Bild seit Monaten frohlockt, ebenfalls auf die WM vorbereitet, auf Kundenfang gehen wird.

Mutmaßlich sind außerdem im Angebot: »Weltmeistergrillkohle«, »Weltmeisterlebensversicherungen«, »Weltmeisterabonnements«, »Weltmeisterwellnesskuren« und natürlich die unvermeidlichen, geschätzten zwei Millionen »WM-Partys«. Doch all dies ließe sich aushalten, wenn es nur gewiss wäre, dass das größte anzunehmende Übel ausbleibt: nämlich Weltmeisterdeutschland. Andererseits: Zu einem Weltmeistervorrundenaus wird sogar der Weltmeistersekt lieblich munden.

melis vardar