Einfach nur schlecht

platte buch

Vor kurzem gab es bereits ein ähnliches Buch wie »Hall Of Shame«. »Don’t Believe the Hype!« nannte es sich. Vorliegendes Werk verspricht nun, »die größten Irrtümer der Geschichte des Rock’n’Roll« aufzudecken, das andere trat »die meistüberschätzten Platten der Popgeschichte« in die Tonne. Beide Verriss-Sammlungen gehen nach dem Prinzip vor, das der große deutsche Intellektuelle Matthias Matussek vor kurzem sinngemäß die Wiglaf-Droste-Technik nannte: Erstmal schauen, was alle anderen sagen, dann einfach das Gegenteil schreiben.

Bei »Don’t Believe the Hype!« war das peinlich, die Begründungen, warum Marvin Gayes »What’s Going On« oder »Never Mind The Bollock« von den Sex Pistols nichts taugen, haltlos, und zu mehr als einfältiger Polemik reichte es nicht.

Die Autoren von »Hall Of Shame« gehen da anders vor – musikjournalistischer – und sammeln Belege dafür, warum eine bestimmte popgeschichtlich kanonisierte Platte eigentlich nichts taugt. Songtexte werden sich nochmals vorgeknöpft, andere und bessere Platten zitiert, und wenn ihnen dann doch mal die Argumente ausgehen, wird eben behauptet, dass dieser oder jener Sänger einfach keine Stimme hat. Kann man ja machen.

Das liest sich alles recht gut weg, und man taucht noch einmal ein in solche Klassiker wie »Pet Sounds« von den Beach Boys oder »Harvest« von Neil Young, die meist nicht einfach nur respektlos beschmuddelt, sondern eher liebevoll zerlegt werden. Der Effekt ist dann der, dass man so manche Platte nach dem »Verriss« noch mehr liebt als vorher. Was allerdings auch daran liegt, dass die Autoren ziemlich »rockistisch« argumentieren. Disco oder letzeres mit Synthesizern ist sowieso schon mal pfui – solchen Kritikern traut man nur ungern über den Weg. So manche kritische Erregung erscheint zudem völlig überflüssig: Dass etwa »Desperado« von den Eagles ein Nichts ist, wen muss man davon noch überzeugen?

andreas hartmann

Jim Derogatis, Car­mél Carrillo: Hall Of Shame: Die größ­ten Irrtümer der Geschichte des Rock’n’Roll. Rogner & Bernhard, Berlin 2006, 409 S., 22,90 Euro