Keep on Rockin’ in Stambul

platte buch

Istanbul? War das nicht der Trend des letzten Sommers? Das könnte man fragen, wenn man den gerade bei Trikont erschienenen Sampler »Beyond Istanbul« zur Hand nimmt. Tatsächlich erfreute sich die Stadt im vorigen Jahr nicht nur hierzulande einer großen Beliebtheit. So ziemlich jede internationale Zeitschrift brachte damals eine Titelstory zu Istanbul (eine produzierte dort sogar eine Sonderausgabe), in den Kinos lief Fatih Akins Musikfilm »Crossing the Bridge«, die Istanbuler Kunstbiennale erregte größere Aufmerksamkeit als je zuvor. Schließlich erschien auf Deutsch Orhan Pamuks Roman »Schnee«, während in englischsprachigen Ländern sein letztes Buch, der Essayband »Istanbul«, veröffentlicht wurde. Doch wer das Thema deswegen für erledigt hält, übersieht, warum die Stadt überhaupt ein solches Interesse erregen konnte. Eine Antwort: Weil sie zu den Städten in der vermeintlichen Peripherie gehört, in denen gegenwärtig mehr in Bewegung ist als in den »fertigen« Metropolen der westlichen Welt.

Diese Umbrüche spiegeln sich auch in der Kultur wider, weshalb es kein Zufall ist, dass hierzulande mehr oder weniger erstarrte musikalische Genres wie Rock, HipHop oder Elektronik in Ländern der Peripherie neu entdeckt und mit den jeweiligen regionalen Einflüssen zu etwas Neuem, Ungehörtem geformt werden, das nichts mit der beschaulichen Langeweile der »Weltmusik« zu tun hat, aber eben auch nicht unabhängig vom Ort seines Entstehens ist.

Was man der von der Berliner DJane Ipek zusammengestellten Auswahl schon vorwerfen kann, ist, dass sie sich zumindest streckenweise am Verkaufserfolg von »Crossing the Bridge« orientiert und daher so manche ältere und bewährte Sachen enthält. Dafür stimmt die Mischung: vom bezaubernden Elektro-Pop einer Nil Karaimbrahimgil über Cezas Hardcore Rap, Ayhan Sicimoglus Dancehall und Baba Zulas Neo-Psychedelic-Rock bis zu Sivan Perwers kurdischem Folkrock. Und natürlich ist alles, so unterschiedlich es ist, alla Turka.

dilek aydin

Diverse: Beyond Istanbul. Underground Grooves of Turkey, Trikont