Dunkle Wolken ziehen auf

platte buch

Anfang der Neunziger sprachen plötzlich alle von Neuseeland. Von dort, vom anderen Ende der Welt, kamen Bands, die so wunderbar poppig waren wie die poppigsten Beatlesverehrer aus England und gleichzeitig so verschroben wie die verschrobensten Indiekäuze in den USA. Man sprach vom »Kiwi-Pop«, und wenn man sich daran zurückerinnert, was einem Bands wie die Chills, Bailter Space oder The Clean einmal bedeuteten, wird man beinahe wehmütig.

Eine dieser Neuseeland-Bands, die aber völlig für sich stehen konnte, war das Noise-Trio The Dead C., das es seit ungefähr 20 Jahren gibt und das nun mit »Vain, Erudite and Stupid« eine Leistungsschau auf einer Doppel-CD vorlegt, die über ein obskures Indielabel mit dem Namen »Badabingrecords« zu beziehen ist. The Dead C. galten in ihrer Heimat schon immer so viel wie Roberto Blanco außerhalb Deutschlands – gar nichts. Was sich auch nicht großartig änderte, als sie Anfang der Neunziger vor Sonic Youth in Wellington auftraten. Sonic Youth waren selbst die größten Fans der Band, wahrscheinlich deswegen, weil diese noch wüstere Feedbackorgien und Gitarrengemetzel veranstalten konnte als sie selbst.

Zwei volle CDs mit The Dead C., das ist natürlich ein hartes Programm. Die Band hat es immer vermieden, Songs zu schreiben, und nur ganz selten nähert sie sich so etwas wie »Rock«. Die Stücke wirken zerfasert, haben kein Zentrum, Einflüsse wie Krautrock, The Stooges, Sonic Youth und Industrial werden lieber angedeutet als plakativ ausgebreitet. Dazu kommt, dass The Dead C. ihr Material bis heute am liebsten auf einem billigen Vierspurrecorder aufnehmen, der bei gestandenen Tontechnikern direkt im Müll landen würde. Doch so klingt der Dead C.-Sound direkt, roh und ungeschliffen. Er hängt im Raum wie dunkle Wolken, und man stellt fest, dass alle Farben um einen herum verblasst sind.

andreas hartmann

The Dead C.: Vain, Erudite and Stupid. Selected Works: 1987-2005 (Badabing)