Alles neu

platte buch

London, 1977. Es gibt etwas Neues, endlich: Punk. Mittendrin: die drei Freunde Terry, Ray und Leon, jeder auf seine Art. Alle drei arbeiten sie bei The Paper, einem Magazin, das Woche für Woche neue Singles, Platten und Bands bespricht, die Woche für Woche die Welt verändern. Alles was vorher war, ist tot oder muss sterben. So sieht das zumindest Terry, der neue Starschreiber von The Paper, der Dag Wood, also Gott (unverkennbar: Iggy Pop), in Berlin interviewen durfte. Ray kommt noch nicht so recht damit klar, dass er sich von allem verabschieden muss, was ihm mal etwas bedeutet hat. Sein Auftrag lautet, den alten Sack John Lennon, der gerade in der Stadt weilt, zu einem Exklusivinterview zu überreden, dabei weiß selbst sein 12jähriger Bruder, dass gerade ein Furz von Paul Weller bedeutsamer ist als das Gesamtwerk von Lennon. Für Leon, den Dritten im Bunde, ist Punk vor allem Politik. Die eigenen Eltern mögen gegen die Nazis gekämpft haben, Rassisten sind sie trotzdem. Die neue Musik möge so laut sein, dass sie den Eltern endlich das Maul stopft.

So ungefähr ist die Ausgangssituation von Tony Parsons’ Roman »Als wir unsterblich waren«, dem vielleicht ersten ernst zu nehmenden Punkroman überhaupt. Stilistisch ist er völlig unpunkig, das sei dazu gesagt, doch wie hier noch­mals die ganze Geschichte des Punkaufbruchs aus der Insider-Perspektive aufgerollt wird, das macht Parsons’ Buch zu einem überzeugenen Schlüsselroman.

Parsons, muss man wissen, war damals selbst Star­schrei­ber beim NME, dem Vorbild für The Paper. Er und seine spätere Frau Julie Burchill haben Punk mit ihren Texten erst zu dem Kulturrevolutionären gemacht, als das er bald rezipiert wurde. Nachdem Parsons in den letzten Jahren nur noch typische Jungsbücher über typische Jungsprobleme geschrieben hat, die eine Millionenauflage erzielten, kehrt er nun zurück zu seinen Wurzeln. Danke dafür.

andreas hartmann

Tony Parsons: Als wir unsterblich waren. Blumenbar Verlag, München 2006, 429 S., 19,90 Euro