»Schauen Sie sich doch Hitler an!«

small talk

Die Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste hat »Enigma Emmy Göring« von Werner Fritsch zum Hörspiel des Jahres 2006 gekürt. Ein Gespräch mit dem Autor.

Was erfährt man in Ihrem Hörspiel Neues über die Frau von Hermann Göring?

»Enigma Emmy Göring« ist eine Art EEG des Medieninteresses, das sich vom »Nazi-Clip« eines Guido Knopp über Eichingers »Untergang« bis hin zur Komödie über Hitler zeigt. Emmy Göring ist nur ein Medium, um über das Medium Rundfunk zu reflektieren. Der Nationalsozialismus und der Rundfunk stimulierten sich gegenseitig: Ohne Volksempfänger wäre Adolf Hitler nicht Adolf Hitler geworden. Das Stück ist eine Parodie darauf, dass die Medien die Geschichte immer mehr verharmlosen und zur Soap machen und die Leute mit diesen historischen Dingen einseifen, um hohe Einschaltquoten zu erzielen.

Aber es spielt doch auch auf ein Bedürfnis an. Das Interesse an den Tätern des Nationalsozialismus scheint ja eher noch größer zu werden. Warum wollen die Menschen sich am Feierabend mit Hitler und Göring befassen?

Niemand versteht im Grunde, wie es dazu kommen konnte, dass jemand wie Adolf Hitler demokratisch gewählt wurde und dieser Wahnsinn in einem Kulturvolk, das Beethoven, Goethe und Hölderlin hervorgebracht hat, stattfinden konnte. All die soziologischen, historischen, psychologischen und sonstigen wissenschaftlichen Erklärungen sind unbefriedigend.

Ich verstehe auch nicht, warum die Kirche, von ein paar Außenseitern abgesehen, zum Holocaust geschwiegen hat. Obwohl dort nichts seit zwei Jahrtausenden mehr tradiert wird als das Märtyrertum.

Der Nationalsozialismus spielte eben auf etwas an, was im Katholizismus weit verbreitet war: auf den Antisemitismus.

Absolut. Darum geht es auch in dem Hörspiel.

Derzeit wird ja überall die Frage gestellt: Kann man, darf man über Hitler lachen?

Man hätte schon seit seinem Auftreten über Hitler lachen müssen! Schauen Sie ihn sich doch genau an! Spätestens heute muss man, da die wissenschaftlichen Erklärungen nicht befriedigen, irgendwie dieser Gestalt den Nimbus nehmen. Dämonisierte man Hitler nur, wäre es noch viel gefährlicher.

interview: stefan wirner