Voll auf Drogen

in die presse

Wo bekommen die Redakteure des Spiegel ihre Drogen her? Und wo nehmen sie sie ein: in den Redaktionsräumen? Dass sie welche nehmen, ist nicht zu bezweifeln, das jüngste Titelthema beweist es.

Das »Comeback einer Weltstadt« verkündet die aktuelle Ausgabe des Spiegel, und gemeint ist selbstverständlich Berlin. »Wiederkehr einer Metropole«, fassen die Autoren ihre Halluzinationen zusammen: »Aufgebaut von den Preußen, geschändet von den Nazis, zerstört von den alliierten Bombern, meldet sich Berlin auf der Weltbühne zurück.« Aber die Bühne ist zugleich eine Art Space Shuttle: »Das politische Berlin ist ein Raumschiff, aber alle haben Zutritt.«

In Texten, in denen Städte zu Raumschiffen werden, darf das Labor als Metapher nicht fehlen: »Das neue Berlin ist für Deutschland und Europa auch ein Labor der Zukunft«, bzw. »das deutsche Labor für die Globalisierung«. Berlin ist die »Stadt der Vorreiter«, aber auch die »Discount-Hauptstadt der westlichen Welt«, die »Metropole der Mini-Preise«. Kein Sorge, die »deutsche Hartz-Hauptstadt« lässt sich die Laune nicht verderben, denn: »Armut ist kein Stigma in Berlin.«

Die Stadt ist »dreimal so jung wie Paris und halb so groß wie Tokio«, hätten Sie das gewusst? Überhaupt, die Jugend, auch sie wird angesprochen, und zwar in dem Slang, von dem Spiegel-Autoren glauben, die jungen Leute würden ihn sprechen: »Berlin bleibt cool.«

Es ist zwar schon alleine wegen der Raum-Zeit-Kontinuität im Raumschiff unmöglich, aber der Text liest sich, als sei er die Vorlage gewesen für Theodor W. Adornos Band »Jargon der Eigentlichkeit«. Alles darin ist Jargon, Kitsch, Klischee, Propaganda und Ideologie. Die »Strahlkraft Berlins und seiner Kanzlerin« etwa: Die Stelle kommt völlig ohne Ironie aus, sie ist so gemeint, wie sie da steht. Haben die Redakteure gekifft und dann zu viel Goebbels gelesen?

Auch am Holocaust-Mahnmal ist ihnen etwas aufgefallen, und zwar, dass die Schulklassen kreischen, wenn sie durch das Stelenfeld stapfen. Die Schüler seien »erschöpft von so viel Vergangenheit – und so viel Gegenwart«. Offenbar hat auch Martin Walser an dem Text mitgewirkt, auch wenn er als Autor nicht aufgeführt ist: »Das Erinnern ist wichtig für die Menschheit, aber das Vergessen womöglich auch.« Ein Tipp noch, liebe Kollegen: Drogen nicht immer nur am »Kotti« kaufen, in der U-8 ist’s noch billiger!

stefan wirner