Auf dem Weg des Herzens

ich-ag der woche

Ach, die Liebe! In einer entzauberten Welt, in einer Zeit der nicht enden wollenden Kriege, der Klimakatastrophen und Korruptionsaffären erfreuen nur selten kleine Episoden das Herz, in denen Politiker die Hauptrolle spielen, welche vor Liebesglück offenbar ein wenig die Beherrschung verloren haben.

Eine solche Notiz im Weltgeschehen bescherte in der vergangenen Woche kein geringerer als der Präsident der Weltbank, Paul Wolfowitz. Jener gestrenge Herr jenseits der 60 musste zugeben, die Dame seines Herzens bei der Verteilung begehrter und wohl dotierter Posten allzu großzügig bedacht zu haben. Die Washington Post hatte es ans Licht gezerrt, dass die gern als »arabische Frauenrecht­lerin« bezeichnete Ökonomin Shaha Riza auch nach dem Wechsel ins US-amerikanische Außenministerium im Jahr 2005 noch ein Gehalt der Weltbank von beinahe 200 000 Dol­lar bezogen hat. Wolfowitz hat inzwischen die »volle Verantwortung für alle Details des Arbeitsvertrags« seiner Freundin übernommen und geäußert, dass ihm sein »Fehler« Leid tue. Die Personalvertretung der Weltbank hat dennoch gnadenlos seinen Rücktritt gefordert.

Warum adelt man den neokonservativen Politikwissenschaftler, Mathematiker, Chemiker und Befürworter von Präventivschlägen nicht für die Entscheidung, die ihm das Herz wies? Warum ruft niemand dem früheren Vizeverteidigungsminister der Vereinigten Staaten, Berater von George W. Bush und als Kriegstreiber gehandelten Mann augenzwinkernd zu, dass er für seine klitzekleine Gedankenlosigkeit vollstes Verständnis hat? Der Spezialist für internationale Beziehungen hatte zuvor allenfalls einmal ein Herz für indonesische Hühnerzüchter gezeigt. Aber das war in den achtziger Jahren, in der Regierungszeit Ronald Reagans, als er als Botschafter der USA in Indonesien tätig war. Mit Liebe dürfte das nichts zu tun gehabt haben.

regina stötzel