»Wir wurden mit Stahlkugeln beschossen«

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Wismar kam im vergangenen Jahr mit einem Video in die Schlagzeilen, auf dem zu sehen war, wie Neonazis aus einem Laden heraus mit Baseballschlägern eine Antifa-Demonstration angriffen. Polizeibeamte wussten sich nur zu helfen, indem sie die Waffe zogen. Am Samstag fand in der Stadt eine Demonstration gegen rechte Strukturen statt. Ein Gespräch mit Silvio Maifeld von der Antifa Wismar.

Wie verlief die Demonstration?

Wir hatten vor der Demonstration ein Gespräch mit der Polizei. Da wurde uns zugesichert, sie werde dafür Sorge tragen, dass keine Nazis am Rande der Strecke zu sehen sein würden. Das haben wir begrüßt, und wir wollten uns auch an die Strecke halten und die Demonstration zum Ende bringen.

Aber bereits beim Auftakt waren Neonazis aus dem Umfeld der NPD zu sehen. Wir haben die Polizei darauf aufmerksam gemacht, und die Nazis wurden weggeschickt. Wir waren schließlich rund 450 Leute, zum Teil auch normale Bürger. Man sah aber bald, dass die Polizei nicht in der Lage war, die Demonstration zu schützen. In den Seitenstraßen waren immer wieder Neonazis zu sehen, zum Teil wurde die Demonstration angegriffen. Darauf haben wir den Abschnittsleiter der Polizei aufmerksam gemacht. Aber er entgegnete uns nur, dass er nicht genügend Einsatzkräfte habe, um die Demonstration zu schützen. Aus dem rechtsextremen Wohnprojekt »Wolfshöhle« heraus wurden wir schließlich mit Stahl- und Glaskugeln beschossen, es gab zwei Verletzte. Bisher wurde ein Täter ermittelt, von 35 Rechtsextremen wurden die Personalien aufgenommen.

Ist dieses Verhalten der Polizei typisch für Wismar?

Das fängt ja schon bei der Stadtverwaltung an, die nichts hören und nichts sehen will von den rechten Strukturen. Es wird einfach nicht wahrgenommen, dass die Stadt ein Problem hat.

Wie sind denn die Wismarer Bürger eingestellt?

Es ist schwer zu sagen. Klar, wir sind im Osten, zudem in Mecklenburg-Vorpommern. 5,5 Prozent haben zuletzt NPD gewählt. Aber man kann nicht sagen, dass hier jeder ein Nazi ist.

Wie soll es weitergehen?

Wir wollen erst mal über ein Netzwerk von Bürgern erreichen, dass die »Wolfshöhle« und der Tattoo-Laden, der aus dem Video bekannt ist, geschlossen werden. Wenn nichts in diese Richtung passiert, wird es in diesem Jahr noch eine größere Demonstration geben.

interview: stefan wirner