Blauer Block gegen Knut

raucherecke

Manch ein älterer Demonstrant mag wehmütig an den erfolgreichen Ausbruch aus dem Polizeikessel während der Proteste gegen den Besuch Ronald Reagans im Jahr 1982 gedacht haben, als der Nollendorfplatz in Sicht kam. Seitdem sind Demonstrationen in dieser Gegend eine Rarität gewesen, bis am Samstag mehr als 3 000 größtenteils schwarz gekleidete Personen durch die Lietzenburger Straße zogen. Mit Parolen wie »Viva, Viva, Viva – Köpi, Köpi, Köpi« oder »Wollt ihr uns die Köpi rauben, muss der kleine Knut dran glauben« demon­strierten sie gegen den Verkauf des selbstverwalteten Zentrums in der Köpenicker Straße und die staatliche Repression gegen Linke in den vergangenen Wochen.

Die Absicht der Veranstalter, durch das alte Zentrum West-Berlins zu ziehen statt wie üblich durch den Kreuzberger Kiez zu laufen, scheiterte jedoch an den Behörden. Die geplante Route über den Kurfürstendamm war mit der Begründung verboten worden, es seien dort Ausschreitungen zu erwarten.

Um die Demonstration etwas aufzulockern, wollten einige Leute mit blauer Kleidung und blauen Halstüchern bewaffnet einen »Blauen Block« bilden. Damit wolle man die Taktik von Polizei und Presse, die Demonstranten wegen der Farbe ihrer Kleidung als Gewalttäter abzustempeln, ironisch unterlaufen, erklärte eine Teilnehmerin auf Nachfrage. Für die Aktion hätten sie extra blaue Tücher angefertigt und mit Gesichtern bedruckt. Das wiederum fand die Polizei gar nicht witzig und beschlagnahmte die Tücher bereits bei den Vorkontrollen.

Als die Demonstration den Platz der Abschlusskundgebung am

U-Bahnhof Bülowstraße erreichte, wurde es interessant, denn dort befindet sich die Konzernzentrale der Commerzbank, die den Verkauf der Köpi organisiert hatte. Aber auch hier blieb es, entgegen den Erwartungen der mitlaufenden Kamerateams, friedlich. Berlin ist eben nicht Rostock. Die Berliner Bereitschaftspolizei ließ es sich dennoch nicht nehmen, noch mal richtig zuzuschlagen und ein paar Leute festzunehmen.

Nach der Auflösung der Demonstration hatten manche noch nicht genug. Knapp 1 000 Menschen fanden sich gegen 21 Uhr am Kottbusser Tor ein, um unter »Köpi bleibt«-Rufen durch den Kreuzberger Kiez zu ziehen.

christopher altgeld