»Die Internationale ist nur noch eine Tradition«

Wer hat eigentlich die »Internationale« ins Deutsche übersetzt? Ein Gespräch mit dem Direktor des Historischen Zentrums Wuppertal, Michael Knierim. Small Talk von Stefan Wirner

Sie warten mit einer großen Enthüllung auf: Ein Bierbrauer hat die »Internationale« ins Deutsche übersetzt.

Das ist keine große Enthüllung. Das Institut für Marxismus-­Leninismus beim ZK der SED hatte das bereits untersucht. Auf den Texten ist es ja auch immer zu lesen: Text von Emil Luckhardt. Nun hat die Enkelin von Luckhardt dem Friedrich-Engels-Haus in Wuppertal alte Briefe und Schriften ihres Vorfahren überreicht, unter anderem auch die Niederschrift der »Interna­tionale«. Und das ist für uns natürlich ein besonderes Ereignis.

Zunächst gab es ja eine andere Übersetzung der »Internatio­nale« ins Deutsche, und zwar von Eugen Thari. Wie unterscheiden sich die beiden Versionen?

Sehr. Tharis Übersetzung ist ohne Pep. Beide haben sich natürlich stark am französischen Original orientiert, aber Thari ist die Übersetzung nicht so gut gelungen. Nicht umsonst haben die Arbeitergesangsvereine Luckhardts Text gesungen. Auch 1914 auf den Antikriegsdemonstrationen im übrigen. Es wird ja oft abgestritten, dass es diese gab, es wird immer nur die Kriegsbegeisterung erwähnt. Luckhardt war auf diesen Antikriegsdemonstrationen mit Sicherheit dabei.

Leider ist er dann selbst im Ersten Weltkrieg gefallen.

Ja, gleich am Anfang. Er ist in Wesel eingezogen worden und wurde sofort nach Flandern geschickt. Das war so ein typisches Schicksal. Diese armen Kerle hatten ja keinerlei Erfahrung.

Welche Bedeutung hat die »Internationale« für Sie persönlich heute noch?

Das ist leider nur noch eine Tradition. Das ist nun mal so.