Zip, Zap, Zapata

Verblassender Charme

"Hallo, Hallo", hieß es in einem der letzten Kommuniqués des Subcomandante Marcos an die "opini-n publica", die öffentliche Meinung", "dies ist ist eine Probe, einszweidrei, hallo hallo". Ende des Textes. Nichts weiter, eine kleine Sprechprobe eben. Will heißen: Sender und Empfänger sind nicht mehr auf gleicher Wellenlänge, die subversiven Leitungen ganz offensichtlich empfindlich gestört.

Nicht wenige hatten zum linken Wahlsieg in der Hauptstadt ein flottes Glückwünschtelegramm vom Subcomandante erwartet. Doch aus den zapatistischen Wäldern dringt schon seit geraumer Zeit nur - durchaus beredtes - Schweigen zum elektoralen Treiben im Lande. Umgekehrt wurden die einst so umfeierten "Ya basta"-Helden im diesjährigen Wahltrubel mit so gut wie keinem öffentlichen Wort bedacht. Vor allem die Marcos-Mode, die in Mexiko und anderswo bis in konformistischste Kreise hinein im Schwange war, ist vorbei. Keine Titelseiten mehr, keine Exklusiv-Interviews, Reporter (fast) jeglicher Couleur winken beim Stichwort Marcos nur noch müde ab. Chiapas ist zur Un-Region geworden: ungemütlich, unübersichtlich, vor allem aber - aus Reportersicht - unspektakulär. Selbst die fliegenden Straßenhändlerinnen in San Crist-bal de las Casas gehen mit der Zeit und haben heute, neben ihren berühmtgewordenen Guerillapüppchen, auch den ein oder anderen wollenen Dinosaurier im Angebot.

Der Dschungel-Glamour zieht nicht mehr, die schmuddlige Skimütze hat an erotischer Attraktion deutlich verloren. "Wir alle sind Marcos", wurde vor zweieinhalb Jahren noch aus tausend Kehlen gebrüllt. Das will heute in Mexiko vermutlich kaum noch einer sein. Statt dessen fordern viele, auch aus den Kreisen der zu Amt und Würden gekommenen Linksopposition, vom ehemals umschwärmten Sub eher brüsk: "Mütze ab." Die Wohlmeinenden fügen dann noch die freundliche Aufforderung hinzu, nun endlich mit dem "Kriegsspielen aufzuhören" um "richtige Politik" zu machen. Adressat von derlei Ratschlägen ist selbstredend stets der weiße Intellektuelle mit der geschmeidigen Schreibe, der nicht mehr nur als Sprecher und Stratege, sondern mittlerweile schon als Inkarnation der Revolte gilt. Daß der Sub und seine - durchweg indianischen - Comandantes seit über dreieinhalb Jahren denkbar unkriegerisch an den Grundfesten der Macht gerüttelt und so zumindest zum Einsturz der politischen Überbau beigetragen haben, scheint dabei irgendwie in Vergessenheit geraten zu sein. Und daß sie sich seither beharrlich dem Glauben verweigern, "richtige Politik" ließe sich nur in Form von ordentlichen Parteigründungen betreiben, erscheint im PRI-geschädigten Mexiko auch vielen Linken noch als überaus ketzerischer Gedanke.

Was bleibt, ist das zugegebenermaßen etwas paradoxe Bild einer Guerilla in Stand-By-Position. Allerdings nicht minder paradox als die gesamte neozapatistische Szenerie: eine anti-militaristische Armee, die sich weiße Fähnchen an die Karabiner hängt. Die bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Nationalhymne anstimmt und zugleich zur "intergalaktischen" Mobilisierung aufruft. Eine vor Ort verwurzelte Bewegung, die inzwischen zwar aus den heimischen Medien verschwunden, dafür aber im Internet zu Hause ist. Es knarrt und rauscht derzeit kräftig im Äther. Abgeschaltet ist der zapatistische Weltempfänger, mit seinem stimmgewaltigen Sub-Moderatoren, deshalb noch lange nicht.

Die Play-Taste aber können nur diejenigen drücken, die heute im Trockenen und nicht umzingelt im regennassen Dschungel sitzen.