Bis zum Happy-End

GoodFellas

Drollige Idee! Als gäbe es da bloß einen Film! Aber gut. Holm Friebe hat sehr nett gefragt, die Jungle World ist ein Blatt, zu dem ich nicht nein sagen kann, und natürlich gibt solch eine Umfrage mir Gelegenheit, mich richtig dicke zu tun. Wozu ich erst recht nicht nein sagen kann. - Der Film meines Lebens? Sind wenigstens drei Filme: "2001" (einmalige Totalen), "Citizen Kane" (einzigartige Weitwinkel) und "GoodFellas" von Martin Scorsese (singuläre Dynamik). Nachdem ich in den letzten Tagen meine drei Heiligtümer via Video wiederbesichtigt habe - Wonnen sondergleichen! -, hat "GoodFellas", knapp, den Zuschlag bekommen.

Erzählt wird die "wahre Geschichte" von Henry Hill, der sich vom Laufburschen zum höheren Angestellten in Diensten der Mafia empordient. In zweieinviertel Stunden galoppiert der Film durch drei Jahrzehnte, ohne auch nur für Sekunden nachlässig zu werden bei der Beschwörung des jeweils aktuellen Zeitkolorits. Jeder Hosenknopf, jeder Huster hat dabei eine Bedeutung: Ich bin sicher, daß 99,9 Prozent aller lebenden Regisseure ihren rechten Arm dafür gäben, nur einmal nur eine Szene hinzukriegen, die so kompakt, durchdacht, detailliert und vielschichtig ist wie jede, buchstäblich jede Einstellung in "GoodFellas". Das ist ein Film, den man ein Leben lang analysieren könnte. Aber man kommt ja zu nichts: Dauernd irgendwelche alberne Umfragen.

Wenn Kino, wie Siegfried Kracauer verfügte, die Kunstform ist, die der puren Bewegung, der Kinesis zu höherer Bedeutung verhilft, dann ist "GoodFellas" mit seinen atemberaubenden Fahrten und Zooms (Kamera: Michael "Flugauge" Ballhaus) und der rasiermesserscharfen, rasanten Montage (am Schnittpult: Thelma "MG" Schoonmaker) vollendetes, nicht zu überbietendes Kino. Die explosive Kraft des Werks entspricht genau der Gewalttätigkeit seiner Protagonisten - und dem vor überwältigenden Bildern überkochenden Genie des Regisseurs.

1990 entstanden, ist "GoodFellas" nicht nur ein höchst präzises, fast dokumentarisches Stück über organisiertes Verbrechen, sondern auch ein höchst genauer und bissiger Kommentar zur Gier und Großmäuligkeit der achtziger Jahre. Wer in Henry Hill nicht Donald Trump erkennt, dem entgeht eine Satire von stupender Brillanz. Und wer "GoodFellas" nicht kennt, dem ist der aufregendste Film der letzten 10, wenn nicht gar 100 Jahre entgangen.

Kay Sokolowsky schreibt über Film und Literatur und lebt in Hamburg