Bis zum Happy-End

Sommer der Liebe

Der "Sommer der Liebe" veränderte für uns alles. Das Jahr war 1992. Wir kamen aus dem doppelt ausverkauften Kino und hatten nichts im Sinn, als uns anzudrehen, uns einzustimmen und auszutropfen. Wir wollten sein wie Oleander, der alles hinter sich läßt, um seiner Jasmin nahe zu sein. Wir wollten seine Devise leben, die suggestiven letzten Worte des Films verbreiten: "Wem es gelingt, in seinen Mitmenschen eine Saite zum Klingen zu bringen, für den wird der Sommer der Liebe nie enden." Wir hörten Kinderschallplatten und spielten mit Plüschtieren. Wir sahen die Welt durch Fischaugenlinsen und überall "toffe Muster". Wir nahmen Drogen ohne Ende und kackten auf das System.

Aber so wie Wenzel Storchs zweiter Spielfilm auf seinem Weg durch die Institutionen letztlich doch keinen regulären Verleih fand und überdies massiv Ärger mit FrauenLesben-Gruppen bekam, sprangen die meisten von uns aus Angst um die Karriere ihres Lebens ab. Die Geschäftemacher nahmen die große Idee in ihre Hände. Sie kneteten daraus Guildo Horn, ein schäbiges und korruptes Abziehbild jenes Oleander, und so versanken die Träume, mit denen wir damals die Welt zu verändern trachteten, im Sumpf von Schlaghosen, Schlagern und Seventies-Parties.

Im Herbst 1997 habe ich "Sommer der Liebe" wiedergesehen. Im Kino saßen fünfzehn Veteranen, arme Tröpfe, die auf einem Trip hängengeblieben waren und ihre Träume schüchtern weiterträumen. Deprimierend, nicht wahr? Dem größten Super-8-Meisterwerk der Filmgeschichte hat das freilich nicht geschadet. Seine Anmut und Komik bleiben visionär, und unsere Hoffnung, die Welt zu einem besseren Platz zu machen, in ihm wohl ewig aufbewahrt - eines Tages wird der Sommer der Liebe wohl für niemanden mehr enden müssen.

Mark-Stefan Tietze lebt als freier Autor in Münster, wo er gelegentlich auch im Kino arbeiten muß