Banken mit asiatischer Grippe

Das deutsche Finanzkapital ist der zweitgrößte Gläubiger der Tigerstaaten

Die Verluste deutscher Banken im Südostasiengeschäft werden vermutlich auf den Bundeshaushalt durchschlagen, prognostizierte Professor Rüdiger Machetzki, Chefökonom am Institut für Asienkunde in Hamburg, im Gespräch mit Jungle World. Anlaß der Prognose ist eine Erklärung des Bundeswirtschaftsministeriums von letzter Woche, wonach sich die Gesamtsumme aller Hermes-Bürgschaften des Bundes für die Krisen-Region auf 25 Milliarden Mark beläuft. Damit wurden Waren- und Kapitalexporte deutscher Industrieunternehmen und Finanzinstitute in die Staaten Indonesien, Thailand, Philippinen, Korea und Malaysia abgesichert.

Vor diesem Hintergrund fürchtet Machetzki eine Belastung bereits für das Budget 1998: "Wenn uneinbringbare Schulden durch Hermes-Bürgschaften gedeckt sind, muß der entsprechende Gläubiger aus der Privatwirtschaft nur zehn Prozent der Ausfallsumme abschreiben. Den Rest trägt der Bund, das heißt letzten Endes der Steuerzahler." Angesichts der umfangreichen Südostasien-Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) sei nicht auszuschließen, daß die Verbindlichkeiten umgeschuldet werden könnten und zu einem späteren Zeitpunkt doch noch beglichen würden. "Doch das ist im Augenblick alles andere als sicher, denn die IWF-Finanzspritzen haben die Krise bisher nicht eindämmen können. Außerdem wird gerne vergessen, daß der IWF durch seine Mitgliedsstaaten finanziert wird, die Bundesrepublik etwa ist einer der größten Beitragszahler. Auch die IWF-Hilfen für Südostasien müssen also letzten Endes aus dem Haushalt beglichen werden." Damit würde das Budgetloch im Jahre 1998 noch um viele Milliarden größer - und Waigel das Maastricht-Ziel (drei Prozent Defizit), das er 1997 vielleicht knapp geschafft hat, doch wieder verfehlen.

Die Kredite deutscher Banken in der Region belaufen sich nach einer aktuellen Untersuchung des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung auf 114 Milliarden Dollar und werden damit nur noch von den Darlehen japanischer Institute (243 Milliarden Dollar) übertroffen. Weit abgeschlagen rangieren US-Banken mit 44 Milliarden Dollar auf Platz drei. Besonders prekär: Rund 60 Prozent der deutschen Kredite sind kurzfristig fällig. Sie wurden vermutlich von asiatischen Instituten zur Refinanzierung eigener Ausleihungen vorgenommen. Nach diesem ebenso lukrativen wie risikobehafteten Modell wird Kapital zu einem relativ niedrigen deutschen Zinssatz geborgt, um es dann zum weitaus höheren einheimischen Satz weiterzuverleihen. Offensichtlich schwimmen die deutschen Banken im Geld, sie machten dieses Spiel gerne mit - es war immer noch profitabler, als das Kapital auf den deutschen Konten zinslos vermodern zu lassen. Zumindest schien es so - bis der Crash kam.

Größter deutscher Gläubiger ist die Deutsche Bank, die in Südostasien mit 33 Milliarden Mark engagiert ist. Davon entfallen neun Milliarden auf die Tigerstaaten und die VR China. Am Mittwoch letzter Woche gab der Vorstand der Bank bekannt, als Risikovorsorge für faule Kredite 1,4 Milliarden Mark rückzustellen; noch wenige Tage zuvor hatten die Analysten von "Schröder Münchmeyer Hengst Research" weniger als ein Zehntel der Summe als notwendige Wertberichtigung der Deutschen Bank prognostiziert. Machetzki kommentiert: "Die Analysten haben die Asienkrise von Anfang an unterschätzt. Selbst im November und Dezember gingen sie noch von einer schnellen Wiedererholung aus. Erst langsam setzt sich eine Einschätzung durch, die dem Ernst der Lage angemessen ist." Die unterschiedlichen Einschätzungen erklären sich daraus, daß die DB-Kredite an Japan (15 der 33 Milliarden) von den meisten Analysten als sicher betrachtet wurden, während Machetzki und andere zu Recht darauf verwiesen, daß die japanische Wirtschaft nach offiziellen Angaben auf faulen Krediten in Höhe von ungefähr einer Billion Mark sitzt. Und dieser Betrag wird vermutlich wachsen, da er die uneintreibbaren Forderungen an die Tigerstaaten - Japan ist deren größter Gläubiger, siehe oben - noch nicht mitkalkuliert.

Neben der Deutschen Bank sind die Commerzbank (Kreditvolumen in Südostasien 18,6 Milliarden Mark), die Dresdner Bank (16 Milliarden Mark) und die WestLB die nächsten Kandidaten für Verlustabschreibungen. Doch dürften hier die Wertberichtigungen nicht so drastisch ausfallen, da der Anteil der Asienkredite am Gesamtkreditvolumen bei diesen Instituten nur bei vier oder fünf Prozent liegt - bei der Deutschen Bank sind es dagegen sieben.

Größter Fehler der Verantwortlichen sei es, so Machetzki, den Stand der Asien-Krise ausschließlich nach den Wirtschaftsdaten zu beurteilen und daraus optimistische Trends zu konstruieren. "Wirtschaftsreformen wären ökonomisch möglich, doch dagegen steht die politische Psychologie in diesen Staaten. In Hongkong gab es in den letzten Wochen zwanzig Selbstmorde von Managern. Es herrscht nach wie vor eine Panikstimmung - da verbieten sich Prognosen."