Nationale Geldwerte

Gerhard Schröder nutzt die Euro-Einführung für einen Schlußstrich

Nur Gutes war über die Leiche zu hören, die vergangene Woche im Bundestag zu Grabe getragen wurde. Mit Ausnahme der PDS stimmten alle Parteien im Bundestag der Einführung des Euro zu. Eine einzigartige Erfolgsgeschichte habe die D-Mark hinter sich, die nun ihre Fortsetzung im Euro finden werde, erklärte Bundeskanzler Kohl feierlich. Selbst Gerhard Schröder, der schärfste Konkurrent des gewichtigsten Leichenredners, zollte Anerkennung. Kein Wort mehr von der "kränkelnden Frühgeburt" des Euro. Es fehle nicht an guten Gründen für die Währung, erklärte er, nur sei sie den Bürgern in der Vergangenheit zu schlecht verkauft worden.

Eine Woche zuvor hatte Schröder auf dem Parteitag in Leipzig bereits einen Weg gezeigt, wie der Euro den ängstlichen Deutschen besser beizubringen ist. Die Europapolitik von Kohl, der die Währungsunion zu einer Frage von "Krieg oder Frieden" stilisierte, sei noch ein Reflex auf die deutsche Geschichte, erklärte er. Damit ist es nun vorbei. "Die europäische Währung ist nicht der Preis für unsere Geschichte." Nur "Kohl will uns weismachen, der Euro müsse sein zur Bewältigung unserer Vergangenheit", sagte Schröder in seiner Rede. Die Bedeutung der Aussage liege in ihrem grundsätzlichen Charakter, kommentierte Klaus Hartung in der Zeit: "Auschwitz kann nicht mehr das letzte Motiv oder die geheime Legitimation politischen Handels sein". Ein Geschichtsrevisionismus sei von Schröder nicht zu erwarten, dazu fehle ihm der "ideologische Impuls". Es sei vielmehr nur eine "trockene Feststellung", die "platte Rhetorik der neuen Selbstverständlichkeit". Nationale Interesse würden durch die Währungsunion nicht verschwinden, sondern neu herausgefordert - und diese möchte Schröder möglichst unbelastet formulieren.

Um welche nationalen Werte es beim Euro gehen könnte, erklärte Kurt Biedenkopf bei der Debatte im Bundesrat, wo Sachsen als einziges Bundesland gegen die Euro-Einführung stimmte. Die Maastrichter Stabilitätskriterien seien "eng und strikt auszulegen", eine "Versetzung" der "Sorgenkinder" Belgien und Italien in den Euro-Klub sei daher nicht möglich. Wenn die Bundesregierung jetzt "ein Auge zudrückt", dann bestehe seiner Ansicht nach die Gefahr einer Kettenreaktion: Zwischen den starken und weniger starken Euro-Staaten könnte es zu "riesigen Raufereien" um Finanz-Transfers kommen.

Auch auf dem privaten Finanzmarkt zeichnet sich ein harter Konkurrenzkampf ab. Hier geht es darum, ob die deutschen Banken ihre starke Stellung in Europa ausbauen können. "Der Euro wird funktionieren", erklärte Martin Lebouitz, in der Chase Manhattan, dem größten US-Finanzinstitut, für die Entwicklung globaler Zahlungssysteme zuständig. Der Banker ist überzeugt, daß bei den Finanzdienstleistungen Europa "bald der weltweit heißeste Punkt im Kampf um Marktanteile" sein wird.

Die Chase Manhattan ist derzeit dabei, ihren Zahlungsverkehr für die gesamte Euro-Zone in Frankfurt zu konzentrieren. "In unserem System werden Zahlungen von Spanien nach Holland dann so einfach funktionieren wie jetzt zwischen Washington und Florida", erklärte Lebouitz gegenüber der österreichischen Tageszeitung Der Standard. "Neben der Chase bereiten sich derzeit auch die Citibank und die Bank of America auf den Euro vor."

Das, was sich derzeit in den USA an Übernahmen und Zusammenschlüssen im Finanzsektor abspielt, werde auch bald in Europa auf der Tagesordnung stehen. Die Chase Manhattan erwartet als Folge der Währungsunion eine weitere Bankenkonzentration in Europa. In fünf bis zehn Jahren werde es maximal drei bis fünf Konkurrenten geben; neben der Chase Manhattan rechnet Lebouitz dazu die amerikanische Citibank, die niederländische ABN, die Deutsche Bank und die Hongkong-Shanghai Bank.

Nicht nur die Frage, welche der EU-Mitgliedsländer künftig hauptsächlich die Lasten der gemeinsamen Währung zu tragen haben, steht daher bei der Währungsunion auf dem Spiel - sondern auch, welche Finanzinstitute von dem kommenden Konkurrenzkampf profitieren werden. Bei der Wahrung ihrer Interessen können sich Deutschland und seine Bank dabei auf den Kanzlerkandidaten verlassen.