Müllers Millionen

Der Verleger und Chefredakteur des linksliberalen Schwäbischen Tagblatts, Christoph Müller, hat seine Redaktion enterbt. Anlaß für das Zerwürfnis zwischen Müller und seinen Redakteuren waren die Bemerkungen des Chefs über die Rocklänge einer Frau, die mit einem Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Tübingen befreundet ist. Müller hatte die Aussichten des konservativen Bewerbers in Frage gestellt, u.a. mit dem Argument, daß "sogar in seiner Fraktion die Nase gerümpft wird über das Erscheinungsbild seiner Lebenspartnerin". Redaktion wie Leserschaft kritisierten, die Rocklänge der Freundin sei kein Wahlkampfthema und forderten einen Gegenartikel. Dem stimmte der für seinen familiär-patriarchalen Führungsstil bislang geschätzte Verleger und Chefredakteur, der seine Leute auch mit dem Versprechen bei der Stange zu halten wußte, er werde seine Anteile an sie überschreiben, auch zu - ohne den genauen Text zu kennen. Die Redakteure äußerten sich allerdings deutlicher, als Müller erwartet hatte. "Die Redaktion", hieß es, "ist der Ansicht, daß der Artikel gegen alle journalistischen Grundregeln verstößt und die Privatsphäre einer Frau auf üble Weise verletzt."

Müller, der sich auch als Theaterkritiker einen Namen gemacht hat, enterbte daraufhin mit dem richtigen Sinn für Dramatik die Redaktion und verfügte notariell, daß seine Millionen in eine "Christoph-Müller-Stiftung" fließen, die seine historische Kunstsammlung in einem noch zu bauenden Museum zugänglich machen soll