Braunes Leben an drei Flüssen

In Passau traf sich die Konzerntochter DVU der Unternehmensgruppe Dr. Frey zur Hauptversammlung

Dr. Gerhard Frey ist sichtlich verärgert. Der 26. September hätte sein Tag werden sollen, der Großkampftag der DVU in der Passauer Nibelungenhalle. "Deutschland, jetzt kommt die DVU", heißt das Motto, unter dem sich rund 3 000 Anhänger des Münchner Multimillionärs versammelt haben - die meisten von ihnen bereits im fortgeschrittenen Alter.

Der tosende Applaus in der Halle aber gilt nicht dem DVU-Vorsitzenden, sondern Franz Schönhuber. Der hatte Frey einst einen "geldgierigen Devotionalienhändler" genannt, ist nun aber - nach dem Erfolg der Partei in Sachsen-Anhalt - als Spitzenkandidat der DVU für den Bundestagswahlkampf in Bayern angetreten. Seine Anhänger danken es ihm: Rhythmische "Schön-hu-ber"-Sprechchöre füllen den Saal, enthusiastisch feiert das Publikum den ehemaligen Waffen SS-Mann.

Ein anderer Star indes hat abgesagt. Jean-Marie Le Pen läßt sich wegen eines bevorstehenden Prozesses gegen ihn entschuldigen, dafür ist Front National-Ideologe Yvan Blot angereist, um das Braune Band zwischen französischen und deutschen Rechtsextremisten enger zu knüpfen.

Auch die NPD hat ihren für denselben Tag angemeldeten Aufmarsch durch die Passauer Innenstadt gestrichen. Offiziell heißt es, die Partei wolle "nicht für eventuelle Schäden" verantwortlich sein. Zur Entschlußfindung dürfte auch beigetragen haben, daß sich die DVU den vorgesehenen Einmarsch der NPD-Demo in die Nibelungenhalle strikt verbeten hat.

Der Umgang mit der Heerschau des DVU-Chefs Frey ist für das offizielle Passau wie jedes Jahr zum Problem geworden, diesmal sogar unter internationaler Aufsicht: Einen "unverschämten Kerl" nannte eine Mitarbeiterin des US-Justizministeriums den Passauer Oberbürgermeister Willi Schmöller. Der hatte zuvor der Angestellten des Washingtoner Holocaust-Museums und gebürtigen Passauerin Anna Rosmus die Schuld an der Attraktivät gegeben, die die Stadt für die Rechten besitzt: "Vermutlich ist es das zweifelhafte Verdienst von Frau Rosmus, die mit ihren Interpretationen der Nazizeit in Passau immer wieder versucht, die Stadt als Tummelplatz der Rechten darzustellen."

Jetzt, so berichtet die Passauer Woche, wisse man sogar in den USA, was vom "Leben an drei Flüssen" (Eigenwerbung der Stadt) zu halten sei: Auf einer Party eines konservativen Senators, so heißt es, seien sich die Gäste einig gewesen: "Man wird da verstärkt ein Auge auf die Region haben müssen."

Daß sich die "braune Brut" in der Halle ungestört austoben darf, dafür macht auch Eva Bulling-Schröter vor allem die Honoratioren verantwortlich. Diese seien nicht willens, die Nutzungssatzung für die Halle zu ändern. Die PDS-Bundestagsabgeordnete weiß sich mit den rund tausend Teilnehmern der Antifa-Demonstration einig, die sich am frühen Nachmittag am Rathausplatz versammelt haben.

"Antifaschismus ist nicht kriminell, sondern notwendig", steht dort auf dem Transparent, das die fast durchweg jungen Leute vor sich hertragen. Die Einsatzleitung der Polizei indes sieht das offenbar genau andersherum: Ein riesiges Aufgebot begleitet den Demonstrationszug von Anfang an, Flugblätter werden penibel auf kriminelle Inhalte geprüft, ein Redner vorübergehend festgenommen. Weniger von der DVU als vom "Polizeistaat" ist nun die Rede. Dennoch resümiert ein Sprecher der Antifaschistischen Aktion: "Wir sind zufrieden." Das Teilnehmerziel "1 000 plus X" sei erreicht worden.

Weniger aufgeräumt klingt die Presseerklärung der Passauer Aktion Zivilcourage (PAZ), die schon für den Morgen zu einer Blockade der Nibelungenhalle aufgerufen hatte. Zu der Aktion, zu deren Unterstützern renommierte Persönlichkeiten wie der Müncher Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter zählten, sind nur 500 Sympathisanten gekommen. Die Blockade fällt ins Wasser, nur für kurze Zeit gelingt es Demonstranten am Morgen, die Zufahrt zur Halle abzuriegeln.

Damals, im Februar, als die PAZ gegen den NPD-Kongreß mobilisiert hatte, waren noch wesentlich mehr Passauer Bürger auf der Straße. "Die Strategie der Einschüchterung und Kriminalisierung ist aufgegangen", meint PAZ-Mitbegründer Stefan Reimann. Im Vorfeld habe die Polizei mehrmals Info-Tische in der Fußgängerzone verhindert, obwohl es als rechtlich umstritten gelte, ob der gewaltfreie Aufruf zur Blockade eine Straftat darstelle.

Gegen sieben Personen wird derzeit im Zusammenhang mit der PAZ-Aktion ermittelt - mit 16 Verfahren. "Jedes neu beschlagnahmte Plakat der gleichen Sorte zieht ein neues Verfahren mit sich", so Stefan Reimann. Die Lokalpresse habe im Vorfeld für "Desinformation" gesorgt: So kommentierte etwa die Passauer Woche: "Die Gewalt ist bereit, sich zu entladen." Nach dem Erfolg der PAZ vom Februar, bilanziert Reimann, sei nun wieder "bleierne Normalität" eingekehrt.

Am frühen Abend wird die Polizeisprecherin Ingrid Adler paraphrasieren: "Wir sind sehr zufrieden. Die Polizei hatte die Situation vollständig unter Kontrolle. Festnahmen: zwei Rechte, 13 Linke." Über die Zahl der eingesetzten Beamten möchte sie "aus polizeitaktischen Gründen" keine Angaben machen: "Das mag vielleicht in Berlin der Brauch sein, hier nicht."