Herr Fischer, übernehmen Sie

Auch nach der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bleibt eine Abschiebung Mehmets juristisch umstritten

Enttäuschung beim bayerischen Innenminister Günther Beckstein: Obwohl der bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in der letzten Woche die rechtliche Grundlage für die Abschiebung des 14jährigen Mehmet geschaffen hatte, konnte der Jugendliche am Wochenende noch nicht abgeschoben werden. Auf Wunsch der Eltern hatte das türkische Generalkonsulat Mehmets Paß ungültig gestempelt und so Beckstein einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Generalkonsul Ali Yakital hatte Beckstein zwar persönlich versprochen, Reisedokumente für die Abschiebung zur Verfügung zu stellen, doch vorerst weigert er sich. "Das Generalkonsulat kann nicht einfach jedes x-beliebige Reisedokument für Kinder unter 18 Jahre ausstellen", sagte Yakital: "Ohne die Autorisierung der Eltern können wir da nichts machen."

Der VGH hatte die Beschwerde gegen den Ausweisungsbeschluß des Münchner Verwaltungsgerichts nicht zugelassen und damit die Abschiebung des in Deutschland geborenen Mehmet auch ohne dessen Eltern genehmigt. Mehmets Anwalt Alexander Eberth hat dagegen Berufung eingelegt. Er will nun vom Verfassungsgericht in Karlsruhe prüfen lassen, ob durch das Vorgehen des Münchner Ausländeramtes die Grundrechte des 14jährigen verletzt worden seien. Doch auch eine Verfassungsbeschwerde wird die Ausweisung nicht verhindern können.

Trotzdem hat Eberth eine Einstweilige Verfügung gegen die Abschiebung beantragt. Der Grund: Es bestehe bei Mehmet Suizidverdacht. Gerhard Zierl, Sprecher des Justizministeriums, aber weiß es besser: "Die psychische Lage von Mehmet ist stabil." Das bayerische Innenministerium versucht nun, vollendete Tatsachen zu schaffen und den Jungen so schnell wie möglich in die Türkei abzuschieben. Was Mehmet dort erwarten würde, ist unklar. Nach Informationen der Münchner Abendzeitung weigern sich die Verwandten in der Türkei, den Jugendlichen aufzunehmen.

Möglicherweise werden im Fall Mehmet nicht nur Grundrechte außer Kraft gesetzt, sondern auch der Datenschutz. Die Münchner Grünen warfen dem früheren Kreisverwaltungsreferenten Hans-Peter Uhl (CSU) vor, er habe mit der Weitergabe zahlreicher Informationen an die Medien gegen zentrale Datenschutzbestimmungen verstoßen. Zwar sei der 14jährige zunächst aus Datenschutzgründen "Mehmet" genannt worden, doch Uhl habe so deutliche Angaben über den Jungen gemacht, daß die Tauglichkeit der Anonymisierung nur eine Frage der Zeit gewesen sei. Auf Anfrage der Jungle World gab auch der VGH ohne Zögern den vollständigen Namen des Jugendlichen heraus.

Noch ist zu bezweifeln, ob die Abschiebung Mehmets juristisch einwandfrei ist. Cumali Naz, der Ausländerbeirats-Vorsitzende aus München hält sie für verfassungswidrig: "Außerdem konterkariert die Entscheidung die Intentionen der nationalen und internationalen Vorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen und steht im Widerspruch zu Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention."

Wenn es nach Beckstein geht, soll nun der künftige Außenminister Joseph Fischer den Fall Mehmet übernehmen und die Türkei dazu bringen, die Abschiebung zu unterstützen. Schließlich könne nicht ernsthaft vertreten werden, "daß der Vollzug des deutschen Ausländerrechts vom Wohlwollen türkischer Eltern abhängt", meint der CSU-Politiker mit Blick auf die Weigerung des Generalkonsuls, die notwendigen Papiere auszustellen. Die neue Haltung der Türkei im Fall Mehmet sei ein Indiz dafür, daß man in Ankara davon ausgehe, mit der rot-grünen Regierung leichtes Spiel zu haben.

Für den Ausländerbeirat Cumali Naz steht jedoch das politische Signal, das aus München gesendet wird, im Mittelpunkt der Kritik: "Jeder nicht genehme Ausländer soll raus aus Deutschland."