Euskadi oje!

Die Eta verfolgte immer nationalistische Ziele.

Für eingefleischte Baskenfreunde gibt es ausreichend Grund zum Feiern: Die Linken haben angeblich die Regionalwahlen vom 25. Oktober gewonnen. Dabei zeigen die Zahlen das genaue Gegenteil: Von über neun Prozent ist die Vereinigte Linke (IU) auf 5,6 Prozent abgesackt und hat vier Mandate eingebüßt.

In der Tat bietet das Ergebnis keinen Grund zur Freude, denn der Erfolg der Wahlplattform Euskal Herriatarrok (EH) ist vor allem zwei Umständen zu verdanken: Ihrer konsequent nationalistischen Haltung und der Besetzung der sozialen Frage - und zwar von rechts. Und das ist nur konsequent: Die "sozialistischen" Vorstellungen von Eta und Co. waren schon immer dem nationalen Befreiungskampf untergeordnet. Die aktuelle Entwicklung ist also keine fatale Abweichung vom ursprünglichen Programm, sondern nur dessen Weiterführung.

Dennoch wird das Wahlergebnis von der izquierda abertzale ("patriotische Linke") als Erfolg gewertet. Jeder sechste Wähler hat sich immerhin für die als Eta-nah geltende EH entschieden, immerhin 1,7 Prozentpunkte mehr als vor vier Jahren. Ein wahrhaftiger "Triumph", so bemerkte EH nach den Wahlen, "der eindeutig klargestellt hat, daß das Baskenland und der Nationalismus immer linker werden".

So ein großer Verdienst kommt nicht von ungefähr: Damit der Nationalismus "immer linker" wird, mußte die selbsternannte Linke von Anfang an nationalistisch sein. Ihre politische Herkunft beruht keineswegs auf einer linken Tradition, sondern in der exklusivistischen Konzeption der baskischen Nation, wie ihn die katholisch-ausgerichtete PNV bereits seit Beginn dieses Jahrhunderts formuliert.

Fälschlicherweise wird der anfangs vermeintlich progressive Charakter dieses Nationalismus vom Kampf gegen den spanischen Franquismus abgeleitet. In den fünfziger Jahren formierte sich die Gruppe Euskadi ta askatasuna (Baskenland und Freiheit), der die exilierte PNV zu gemäßigt war. Die staatliche Repression gegen Eta, die sich nach der transici-n fortsetzte, und die Aufsehen erregende Ermordung des designierten Franco-Nachfolgers Carrero Blanco im Dezember 1973 begründete den legendärer Ruf als radikale Kämpfer gegen die brutale Franco-Diktatur. Doch vor allen Dingen ging es der Eta schon immer um die Errichtung eines Staates aller Basken - und zwar strikt nationalistisch definiert über Boden und die baskische Sprache.

Das Denken in den Kategorien nationaler Identität hat die Eta mit den drei nationalistischen Formationen EH, PNV und die Solidaritätspartei EA gemeinsam. Und so verwundert auch nicht, daß deren gesamter Stimmanteil gegenüber den Wahlen von 1994 relativ konstant geblieben ist. Lediglich zwischen den einzelnen Gruppen hat sich das Kräfteverhältnis verschoben - zugunsten der Wahlplattform EH, die als HB-Nachfolgerin den bewaffneten und damit konsequenteren Nationalismus repräsentiert. Der Waffenstillstand, den die Eta rund fünf Wochen vor den Wahlen ausgerufen hat, machte es vielen Basken offenbar leichter, für die im Rest Spaniens fast einheitlich als "terroristennah" bezeichnete Formation zu votieren.

Im baskisch-nationalistischen Wettkampf konnte sich die "patriotische Linke" damit behaupten. Neben der Bereitschaft zu einem Friedensvertrag nach nordirischem Vorbild spielte die "soziale Frage" dabei eine wesentliche Rolle. Denn die wird von HB, EH und Eta durchaus thematisiert, allerdings im Sinne nationalistischer Sozialdemagogie: Ein guter baskischer Kapitalist setzt sich für die Unabhängigkeit ein. Wer jedoch sein Kapital außerhalb investiert, gilt als Verräter am "Industriestandort Baskenland". Ganz zu schweigen von den spanischen Unternehmer, die nur darauf aus sind, die reichste Region des Landes zu "kolonialisieren".

Und als Kolonialmacht gilt die Madrider Zentralregierung nicht nur wegen dem militaristischen Auftreten der kasernierten Polizeitruppe Guardia Civil, sondern auch weil das Verfassungsgericht dem Baskenland im März einen niedrigere Unternehmensbesteuerung verbot. Gemeinsam fordern die EH-nahe Gewerkschaft Lab und ihr PNV-Pendant Ela außerdem den baskischen Ausstieg aus der spanischen Sozialversicherung. Schließlich wollen sie nicht weiter den armen Süden des Landes mitfinanzieren - weder die hohe Arbeitlosigkeit in Andalusien und Extremadura noch das landwirtschaftlich geprägte Murcia, wo der Durchschnittslohn so niedrig ist wie nirgends sonst in Spanien und nur zwei Drittel eines durchschnittlichen Einkommens im Baskenland beträgt.

Dieser Wohlstandschauvinismus wird absurderweise auch noch als antikolonial verkauft, damit das Etikett "links" beibehalten werden kann. Die Auswirkungen davon sind vor allem deshalb fatal, weil es der izquierda abertzale gelungen ist, mit ihrem Nationalismus jegliche andere linke Gruppierung im Baskenland zu marginalisieren. Ein Effekt, den jetzt offenbar auch die Vereinigte Linke zu spüren bekommt. Die IU orientierte sich eben nicht am Nationalismus, sondern sprach sich noch direkt vor den Wahlen gegen die Unabhängigkeit aus: Eine Zukunft könne es nur innerhalb des spanischen Staates geben.

Eine Regierungsbeteiligung der "patriotischen Linken" - und damit ein national-baskischer Schulterschluß zwischen PNV, EH und EA ist aber trotz ihres Wahlsieges glücklicherweise eher unwahrscheinlich. Denn solange die Nachbarregion Navarra nicht ins Baskenland eingegliedert wird, will EH sich nicht an einer Koalition beteiligen. Wenn schon, dann richtig: Das ganze Baskenland soll es sein.