Beatty Beats the System

Hollywoods Leftist und Reform-Macho Warren Beatty gibt sich in seinem HipHop-Lehrstück "Bulworth" nicht mit Identitätspolitik zufrieden.

"Warren Beatty kann nicht rappen", schreibt der afro-amerikanische Literaturprofessor Henry Louis Gates Jr. im New Yorker. Das ist natürlich richtig, aber es ist nicht das Problem. An Warren Beattys hinreißend kluger Komödie "Bulworth", die eine noch nicht in den Strudel der Partikularismen geratene Gesellschaftskritik der sechziger Jahre durch die Hiphop-Kultur der neunziger Jahre revitalisiert, wird man sich vielmehr als an einen der wenigen Hollywood-Filme mit einem tatsächlich politisch radikalen Anliegen erinnern.

Bereits vor seinem Kinostart ist der Film zum Politikum geworden. Unzählige Male verschoben, startet er nun in Deutschland über ein Jahr nach seiner US-Premiere mit nicht mal 20 Kopien - und wird es auch hierzulande schwer haben, auf dem segmentierten Kinomarkt ein Publikum zu finden. Zwar wurde "Bulworth" mit einem HipHopSoundtrack, der die ganz Großen des Genres vereint, beworben, einschließlich der MTV-Heavy-Rotation des letztjährigen Sommerhits "Ghetto Supastar" von Praz, Ol' Dirty Bastard und Mya. Dennoch dürfte sich der Film für die jugendlichen Konsumenten von Rap-CDs und neueren schwarzen Komödien als viel zu dialoglastig und zu sehr auf spezifische Fragen der amerikanischen Innenpolitik ausgelegt erweisen.

Umgekehrt ist diese lärmige Twentieth Century Fox-Produktion viel zu schmucklos inszeniert - trotz Cameo-Auftritt der afro-amerikanischen Beat-Poetry-Koryphäe Amiri Baraka - und viel zu sehr an issues denn an manieriertem Kunstwollen interessiert, als daß er dem Programmkino-Publikum einen besinnlichen Abend voll schöner Bilder bescheren könnte.

Trotz so illustrer Fürsprecher wie Martin Scorsese, Henry Louis Gates jr. und Norman Mailer spaltete "Bulworth" die amerikanische Kritik, er verschwand nach einem Monat in den Arthouse-Kinos und dann in der Versenkung. Das ist kaum durch handwerkliche Schwächen zu erklären, denn eigentlich hat "Bulworth" alles, um ein amerikanisches Mainstream-Publikum zu interessieren: Humor, das hektische Tempo von Polit-Kampagnen-Filmen und Suspense.

Zugleich allerdings wagt diese "tragische Farce", wie Beatty seine Politsatire, an der er über sieben Jahre arbeitete, nennt, einen Streit über "Rassen"- und Klassenfragen in den USA anzuzetteln, mit dem niemand mehr gerechnet hatte. "Bulworth" ist eine Anomalie in der heutigen Kinolandschaft, gerade auch, weil er sich nicht mit der Verabsolutierung von Identitätspolitik, auf die der Hollywood-Liberalismus der neunziger Jahre oftmals hinausläuft, zufrieden gibt.

Wo "Wag the Dog" und "Primary Colors", sich eine zynische Medienkritik und humanistischen Moralismus zu eigen machten, formuliert "Bulworth" - dritter Teil eines filmischen Triptychons der politischen Desillusionierung unter der Clinton-Administration im Jahre 1998 - eine Kritik, die sich von der in den US-amerikanischen Medien und auch im Hollywood-Liberalismus vorherrschenden Tendenz zur psychologischen Personalisierung politischer Verhältnisse dezidiert abwendet.

In "Reds" (1981), Beattys Hommage an den amerikanischen Kommunisten und Chronisten der Oktober-Revolution, John Reed, fügte der Regisseur sich widerstrebend dieser Tendenz - und gewann zwei Oscars. "Bulworth" dagegen verzichtet auf derartige Human-Interest-Appelle und läßt sich kaum anders denn als "marxistisch" bezeichnen. Keinesfalls ist der Film die "herrlich politisch unkorrekte Farce", die Presseheft und Plakat einem Tabubruch-geilen Publikum anzudrehen versuchen, sondern viel eher der Versuch eines post-brechtschen HipHop-Lehrstücks, das zu jeder These ihren dialektischen Widerspruch mitbedenken will, ohne darüber die gesellschaftliche Situiertheit seiner charaktermaskenhaft konzipierten Figuren zu vergessen oder Humor und Unterhaltung gering zu schätzen.

Selbst John Sayles hat das nicht geschafft, und "Bulworth" ist erstaunlicherweise auch frei vom Glauben an eine über alle "Auswüchse" des Systems erhabene Verfassungsidee, wie er sich noch durch jeden linksliberalen Hollywoodfilm zog, von Frank Capras und John Fords New-Deal-Dramen bis zu Tim Robbins' "Bob Roberts" (1992). Das Problem in "Bulworth" ist tatsächlich das System selbst.

Unabhängig davon, ob sie das Begriffsinventar für zeit- oder unzeitgemäß hielten, waren sich die Kritiker der Linken wie der Rechten erst einmal darüber einig, daß die Sensation im bloßen Zustandekommen von "Bulworth" besteht. Man bedenke: ein Film, in dem ganz offen über "Basis", "Überbau" und "Monopolkapital" diskutiert wird - produziert von Twentieth Century Fox und damit vom News-Corporation-Reaktionär Rupert Murdoch. Daß der Regisseur in dieser Konstellation zudem das Recht auf den final cut behielt, beweist nurmehr, welchen Rang "Bulworth" in der künstlerischen wie politischen Biographie Beattys einnimmt.

Seit "Reds" (1981) hat Beatty, der, wie sonst allenfalls Jane Fonda, den Flirt des New Hollywood mit der Politik der radikalen Linken verkörpert, lediglich vier Filme gedreht, die, von "Bugsy" (1991) vielleicht abgesehen, kaum bemerkenswert waren. "Bulworth" ist auch das Ergebnis von Rechtsstreitigkeiten zwischen Beatty und der Fox um die Produktion von "Dick Tracy" (1990), die mit einem Vergleichs-Deal beigelegt wurden: völlige künstlerische Kontrolle Beattys über seinen nächsten Film, dessen Skript zu diesem Zeitpunkt lediglich aus einer Idee Beattys bestand, und ein Budget von maximal 30 Millionen Dollar.

Die wenig originelle Idee: Ein Mann heuert einen Berufskiller für seinen eigenen Suizid an, verliebt sich und will das Ganze dann wieder abblasen. Was Twentieth Century Fox nicht wußte: Der Mann ist ein demokratischer Senator, der sich auf seine alten radikal-liberalen Ideale besinnt, nach einem Nervenzusammenbruch zu rappen beginnt, sich in eine junge Afro-Amerikanerin verliebt und den gesamten Film über manisch, zwischen privatem Irrsinn und politischen Einsichten hin- und hergerissen, Sturm läuft gegen das politische und ökonomische System der Vereinigten Staaten.

Es ist 1996, der Wahlkampf in Kalifornien geht in die entscheidende Phase, und Warren Beatty ist Senator Jay Bulworth. Zu Beginn erleben wir ihn bei der Sichtung seiner Wahlspots: Sie alle beginnen mit der Floskel: "We are standing at the doorstep of a new millennium" und versprechen den unterschiedlichsten Wählergruppen, was sie hören wollen. Bulworth hat seit Tagen weder gegessen noch geschlafen. Die Kamera tastet eine Wand mit Fotografien ab, die zugleich eine ganz andere Geschichte erzählen - so gelingt es Beatty immer wieder, Widersprüche zwischen Bild und Ton, Vorder- und Hintergrund oder zwischen aufeinander folgenden Einstellungen zu nutzen.

Auf den Fotos sehen wir historische Momente: Beatty mit dem Black Panther-Führer Huey P. Newton, als Supporter im Wahlkampf des linksliberalen Demokraten Robert Kennedy, die Versöhnung von Martin Luther King und Malcolm X auf dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung. Es sind dies Aufnahmen aus einer Zeit, in der Beatty zu einem der prominentesten Vertreter eines politisch radikalisierten Hollywood der frühen Siebziger wurde und zugleich zu einem Sexsymbol der Gegenkultur, deren "reformierter" Machismo sich in der Rhetorik der sexuellen Revolution artikulierte und mit der existentialistischen Romantik des Outlaws flirtete.

Nach der Ermordung Robert Kennedys engagierte sich Beatty 1972 für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten George McGovern, der sich für den sofortigen Rückzug aus Vietnam, die Entkriminalisierung von Marihuana, die Umverteilung von Einkommen und für Minderheitenprogramme einsetzte. Beatty gehörte neben seiner Schwester Shirley MacLaine, Harry Belafonte und Jack Nicholson zu den Unterzeichnern einer Solidaritätsadresse für den vom FBI verfolgten Filmemacher Emile de Antonio, als der an seiner Dokumentation über den militanten Weathermen-Underground (1976) arbeitete. Unter Ronald Reagan machte sich Beatty noch einmal für die Nominierung Gary Harts stark, der die verbliebenen "linken" Reste in der Demokratischen Partei repräsentierte - und unterlag.

Wenn auch selten so deutlich wie im offen pro-sozialistischen "Reds", zeichnet eine gewisse Anti-Establishment-Haltung auch die Charaktere aus, die der Schauspieler Beatty verkörperte, z.B. in Arthur Penns Komödie "Bonnie & Clyde" (1967), die an die in der McCarthy-Ära verschüttete Tradition des sozialen Realismus wiederanknüpft und eine Ode an das Pathos des Scheiterns ist. Die Berufsbezeichnung "Unternehmer" reicht hier aus, um aus dem Auto geworfen zu werden.

In Alan J. Pakulas paranoidem "The Parallax View" (1974) endet die Konfrontation zwischen Beatty und dem Corporate America ebenfalls tödlich; und Hal Ashbys "Shampoo" (1975) stellt die Wahl des Konservativen Richard Nixon zum US-Präsidenten der von Beatty repräsentierten sexuellen Libertinage der siebziger Jahre gegenüber; und selbst eine Screwball-Komödie wie "Heaven Can Wait" (1978) entwickelt sich aus den zum Teil politisch motivierten Konflikten zwischen Beatty und einer Öko-Aktivistin (Julie Christie), in die er sich verliebt.

All das ruft in "Bulworth" der melancholische Schwenk über die Fotografien ab. Was folgt, ist - trotz der Tatsache, daß diese Bilder der Vergangenheit angehören - weniger die Selbstdekonstruktion eines Alt-Stars, die die Vorstellung vom rappenden Beatty zunächst evoziert, sondern die Katharsis, der Versuch, die Krise, die für Beatty die Zeit zwischen "Reds" und "Bulworth" bedeutet haben mag, zu beenden und den spirit des movement wiederzubeleben - auch wenn das nur in der Rolle des Clowns möglich ist und das Wissen darum eine gehörige Portion Bitterkeit bedeutet.

Nachdem wir anfangs Senator Bulworth am Widerspruch zwischen revolutionärer Vergangenheit und opportunistischem Pragmatismus der Macht haben verzweifeln sehen, schauen wir zu, wie er bald noch tiefer fällt. Bei einem Treffen mit dem Krankenkassen-Lobbyisten Crockett (Paul Sorvino) verspricht Bulworth, einen die Armen begünstigenden Reform-Entwurf zu Fall zu bringen. Mit einer an seine Tochter auszuzahlenden Lebensversicherungspolice über zehn Millionen Dollar läßt Bulworth sich bestechen. Während seine Helfer unter Führung des übereifrigen Karrieristen Murphy (grandios: Oliver Platt) bereits hektisch die Kampagne planen, heuert der suizidale Bulworth einen Killer an, der ihn während des Wahlkampfes töten soll.

Von da an hat der Senator nichts mehr zu verlieren und entwickelt - wie der als Unternehmer reinkarnierte Football-Quarterback in "Heaven Can Wait" oder Peter Finch in "Network" (1976) - eine nahezu naive Lust daran, die "Wahrheit" an den "unpassendsten" Orten auszusprechen, und zwar ohne sich auf den Populismus dieser Trope - "Wahrheit" - einzulassen, sieht man von einer gerade noch haarscharf am Antisemitismus vorbeischlitternden Pointe einmal ab.

In South Central bricht er eine Rede ab und erklärt dem verdutzten afroamerikanischen Publikum, solange es nicht die finanziellen Ressourcen zur Finanzierung von Wahlkampagnen aufbringen könne, würden alle Reformversprechen von korrupten weißen Politikern wie ihm selbst immer Lippenbekenntnisse bleiben. Vor einer Gruppen von Hollywood-Mogulen fragt er, warum die meisten ihrer Filme trotz des vielen Geldes einfach Müll seien - ganz egal, wieviel Sex oder Gewalt darin gezeigt werde. Dabei trifft er drei junge Afro-Amerikanerinnen wieder, die sich nach seinem Auftritt in ihrer neigbourhood seiner Kampagne angeschlossen haben und mit ihm - zum Entsetzen seiner Berater - eine Nacht in einem HipHop-Club verbringen.

Dort wird Beatty nicht nur in einer selten komischen Szene mit Clint Eastwood und George Hamilton verwechselt, sondern raucht auch Marihuana, beginnt unbeholfen zu rappen - und verliebt sich in Nina (Halle Berry). Voller Lebensmut brüskiert er am nächsten Tag eine Industriellenversammlung, als er seine Rede ausschließlich rappt: Sie beuteten die Umwelt und die Armen aus, und: "Only the socialist medicine can save the day. Say it loud, the dirty word: socialism!"

Die politische tour de force gipfelt in einer Fernsehtalkshow, in der Bulworth, inzwischen in Sportswear gekleidet, seinem Publikum verkündet, die wirkliche Obszönität in den USA sei die Armut, und die staatliche Umverteilung des Eigentums der herrschenden Klasse fordert: "Do you think these pigs would regulate themselves?" Von nun an ist Bulworth auf der Flucht, sowohl vor seinen Parteigenossen wie vor dem Killer. Blitzschnell schlägt die Atmosphäre immer wieder von der Komik, die Bulworth' neuer Kampagnenstil mit sich bringt, um in die Paranoia von "The Parallax View" oder "All The President's Men" (1976).

In Beattys Filmen wie in seiner Starpersona sind Politik und Libido nicht voneinander zu trennen, nur ganz selten sind seine Charaktere nicht auf ein weibliches Gegenüber ausgerichtet. Seine Affären, u. a. mit Madonna, sind legendär, genauso Woody Allens Ausspruch, er wolle als die Fingerspitzen Warren Beattys reinkarniert werden. Doch in "Bulworth" ist es gerade die Beziehung zu Nina, die nicht nur zum Katalysator der Veränderung Bulworth' wird, sondern in der sich auch Beattys Umsicht hinsichtlich des naheliegenden Vorwurfs der Vereinnahmung von Differenz beweist - und seine Strategie, alle Widersprüche wie ein dialektischer Jongleur in der Luft zu halten.

Als sich der 60jährige weiße Politiker und die 26jährige schwarze Frau während ihrer Flucht in einer Limousine näherkommen, fragt Bulworth sie, warum es heute keine schwarzen Führer vom Format der Black Panther mehr gebe. Nina antwortet mit dem längsten und kompliziertesten Monolog des ganzen Films: Zunächst sei da das Cointelpro-Programm gewesen, durch das die Spitzen der Panther ermordet worden wären. Andere hingegen argumentierten eher kulturkritisch und machten den heutigen Konsumkapitalismus, der unpolitischen Narzißmus befördere, verantwortlich. Man dürfe aber - und das sei ihre, "im Grunde materialistische" Position - die ökonomische Basis nicht vergessen: Der Niedergang der Civil-Rights-Bewegung sei der Zerstörung der schwarzen Arbeiterklasse infolge der Auslagerung der Schwerindustrie in die Dritte Welt geschuldet. Ihre Eltern seien Mitglieder der Panther gewesen, und sie habe als Kind an deren "Breakfast for Children"-Programm teilgenommen.

Daraufhin muß nicht nur Bulworth Luft holen, sondern auch der Zuschauer. Die nächste Szene hingegen zeigt nicht die links-kitschige Vereinigung zweier Menschen mit der richtigen Gesinnung über alle Geschlechter-, Alters- und "Rassen"-Schranken hinweg, auf die das an einer Fortsetzung der Love Story interessierte Publikum insgeheim hoffen mag, sondern wie die von Nina beschriebenen ökonomischen Zwänge auf sie selbst wirken: Sie greift zum Mobiltelefon, und es wird klar, daß sie Teil des Mordkomplotts ist - nicht, weil sie korrupt oder ihre Geschichte gar erfunden wäre, sondern weil ihr Bruder einem Drogendealer 10 000 Dollar schuldet.

Später gewährt Nina Bulworth Unterschlupf bei ihrer im Ghetto lebenden Familie. Doch gelöst sind die Probleme dadurch nicht. Derartige unvermittelte Enttäuschungen von Publikumserwartungen macht sich "Bulworth" immer wieder strategisch zunutze, etwa wenn im anscheinend für Polit-Satiren heute obligatorischen Larry King-Cameo-Auftritt vorgeführt wird, wie sich gerade Provokationen populistisch vermarkten lassen: Bulworth' Popularität bei den Wählern - und damit bei seinen Beratern, die urplötzlich seine Positionen lieben - wächst, weil Politik in den USA immer Showbiz ist; auch die radikale Version von Bulworth, ob er will oder nicht. Das wußte das liberale Hollywood schon seit Elia Kazans "Face in the Crowd" (1957) oder Robert Altmans "Nashville" (1975), und deshalb tauscht Bulworth gegen Ende des Films die Ballonseide wohl auch wieder gegen seinen weitaus unspektakuläreren Anzug.

Obgleich Beatty in "Bulworth" bestimmte Klischees vor allem des Ghetto-Lebens nicht vermeiden kann, ist das dennoch von den Projektionen des Mailerschen "White Negro" weit entfernt. Als Bulworth auf dem Weg zu Ninas Familie durch South Central fährt, hört man auf der Tonspur Witchdoctors Rap mit dem Refrain "Every day is a holiday". Im Hintergrund sieht man ein verfallenes Kino: Die letzten Filme, die darin gezeigt wurden, waren die Blaxploitation-Klassiker "Blackula" und "Superfly" - vor einem Vierteljahrhundert. Freiheit und Armut, zeigt "Bulworth" in solch kontrapunktischen Momenten, sind unter den Bedingungen der Verelendung womöglich dasselbe.

Wenn der Dealer so abgeschmackt dargestellt wird, als wäre er tatsächlich "Superfly" entstiegen, dann nur, um ihn bald darauf den Drogenhandel als die letzte verbliebene Ökonomie mit Aufstiegsversprechen im Ghetto erklären zu lassen. In solchen Szenen gibt "Bulworth" die Stimme, die er qua Rap zeitweilig für sich beansprucht hat, wieder an jene zurück, denen sie gehört. Das funktioniert weitgehend ohne Paternalismus, weil "Bulworth" eine Aufforderung dazu ist, jedwedem ethnifizierenden Diskurs nicht das letzte Wort zu überlassen.

Am Ende küssen sich Bulworth und Nina dennoch, kurz bevor er - von einer Kugel getroffen - zusammenbricht. Nicht etwa, weil ihre Beziehung unmöglich wäre, sondern weil ihre Politik heute ebenso umöglich ist, wie sie notwendig bleibt. Die Kugel kam, deutet "Bulworth" in einem resignierten Showdown an, nicht aus der Waffe des Auftragskillers, sondern aus jener dunklen Ecke, in der kurz zuvor jener Versicherungsvertreter stand, der Bulworth' Reform-Versprechen by any means necessary verhindern wollte.

Das mag vielleicht paranoid sein, aber Verschwörungstheorien sind, so hat Frederic Jameson anhand der Thriller von Alan Pakula einmal argumentiert, eine der letzten verbliebenen Möglichkeiten, gesellschaftliche Totalität zu imaginieren. Beatty scheint es verdammt ernst zu sein - in seiner Kritik wie in seiner Hoffnung auf Veränderung.

Während Bulworth in Lebensgefahr schwebt, sehen wir in einem Epilog vielleicht deshalb noch einmal Amiri Baraka als Obdachlosen, der, einem griechischen Chor gleich, immer wieder mit seinen Kommentaren die Handlung rhythmisierend unterbrochen hat und dessen Mantra erst jetzt einen Sinn zu ergeben scheint: "Bulworth, you gotta be a spirit not a ghost."

"Bulworth". USA 1998. R: Warren Beatty. B: Warren Beatty/Jeremy Pikser. D: Warren Beatty, Halle Berry, Don Cheadle, Oliver Platt, Jack Warden, Isaiah Washington, Christine Baranski, Amiri Baraka Start: 15. Juli