Die Angst der Zwerge

Kurze historische Notiz zum IfS

Ermöglicht hatte das 1923 gegründete und ein Jahr später eröffnete Institut der aus mütterlichem Erbe mit beachtlichem Vermögen ausgestattete Felix Weil und sein Vater, ein Getreidegroßhändler. Es sollte, so der sich als linker Mäzen verstehende Felix Weil, "in erster Linie dem Studium und der Vertiefung des wissenschaftlichen Marxismus" dienen.

Die Ernennung Carl Grünbergs zum Institutsdirektor dokumentierte dann auch diese Position des IfS, das anfänglich einmal "Institut für Marxismus" heißen sollte: Grünberg, ursprünglich Jurist, der sich aber der Historischen Schule der Nationalökonomie und wirtschafts-, sozial- und dogmengeschichtlichen Studien zuwandte, arbeitete seit 1899 als Professor für politische Ökonomie an der Universität Wien - der erste "Kathedermarxist" an einer deutschsprachigen Universität. In seiner Festrede zur Institutseinweihung bekannte er sich als "zu den Gegnern der geschichtlich überkommenen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Rechtsordnung und zu den Anhängern des Marxismus gehörig", erklärte jedoch gleichzeitig: "Ich brauche wohl nicht erst zu betonen, daß wenn ich hier von Marxismus spreche, ich ihn nicht parteipolitisch, sondern in rein wissenschaftlichem Sinne aufgefaßt wissen will: zur Bezeichnung eines in sich geschlossenen ökonomischen Systems, einer bestimmten Weltanschauung und einer fest umrissenen Forschungsmethode", deren Gegenstand das "wirkliche soziale Geschehen, das gesellschaftliche Leben in seiner unaufhörlichen, stets erneuten Umwälzung" sowie "die letzten erfaßbaren Ursachen dieses Umwälzungsprozesses, die Gesetze, nach denen er abläuft", seien.

Unter Grünberg wurde am IfS über die politischen und theoretischen Probleme der Arbeiterbewegung und des Sozialismus, über Wirtschaftsgeschichte und Fragestellungen im Kontext der Kritik der politischen Ökonomie geforscht.

1930 übernahm dann Max Horkheimer die Leitung des IfS an Stelle des seit Januar 1928 nach einem Schlaganfall arbeitsunfähigen Grünberg. In seiner Antrittsrede erklärt Horkheimer seinen Willen, gestützt auf die "im Gegensatz zu einer Kollegialverfassung" eine Art "Diktatur des Direktors" ermöglichende Institutsverfassung, "wenigstens im engsten Rahmen gemeinsam mit meinen Mitarbeitern eine Diktatur der planvollen Arbeit über das Nebeneinander von philosophischer Konstruktion und Empirie in der Gesellschaftslehre zu errichten".

Die "chaotische Spezialisierung" der einzelwissenschaftlichen Disziplinen werde nicht dadurch überwunden, dass man "schlechte Synthesen spezialistischer Forschungsergebnisse" unternehme, auch "unbefangene Empirie" komme nicht dadurch zu Stande, dass versucht werde, "das theoretische Element darin auf nichts zu reduzieren". Es gehe vielmehr darum, die "aufs Große zielenden philosophischen Fragen an Hand der feinsten wissenschaftlichen Methoden zu verfolgen, die Fragen im Verlauf der Arbeit am Gegenstand umzuformen, zu präzisieren, neue Methoden zu ersinnen und doch das Allgemeine nicht aus den Augen zu verlieren".

Damit beginnt jene Traditionslinie im IfS, die unter dem Titel einer "Kritischen Theorie" der "Frankfurter Schule" die bis heute andauernde Reputation des nach dem vom Nationalsozialismus erzwungenen Exil 1951 wieder nach Frankfurt zurückgekehrten Instituts ausmacht.