Mehr als ein Testpanzer

Das Zentrum der künftigen europäischen Panzer-Industrie liegt in Deutschland.

Ein schlechter Lobbyist, der bei diesem Angebot nicht auf die deutsche Firma Krauss-Maffei Wegmann als künftigen Systemführer einer arrondierten europäischen Panzerindustrie setzen würde. Just in dem Moment, als der deutschen Rüstungsindustrie die Aufträge auszugehen drohten, meldete die türkische Regierung ihr Interesse an: 1 000 Kampfpanzer für 14 Milliarden Mark will Ankara bei Krauss-Maffei ordern. Sollte die rot-grüne Regierung nach der Entsendung eines ersten Testpanzers vom Typ Leopard II im kommenden Jahr auch der Lieferung der restlichen Panzer zustimmen, wären die Auftragsbücher der Mannesmann-Demag-Tochter auch für die Jahre nach 2002 wieder gefüllt.

Rettung in der Not. Denn nicht nur die deutsche, die gesamte europäische Panzerindustrie hat das Ende des Kalten Krieges verschlafen. In der Europäischen Union (EU) werden zur Zeit vier konkurrierende Kampfpanzer, 16 verschiedene gepanzerte Rad- und Kettenfahrzeuge sowie eine Unzahl von abgeleiteten Panzervarianten produziert. Der Markt für die stählernen Kolosse allerdings ist geschrumpft. Kein Wunder: Für künftige Interventionstruppen sind 60-Tonnen-Leopard-Panzer weder zu gebrauchen noch zu transportieren.

Der militärische Trend geht daher zum kleinen, beweglichen - luftverladbaren - Panzer. Doch Gewinne werfen weiterhin vor allem die schweren Systeme ab. Deshalb frohlockte die Branche noch 1998, als der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) bei Krauss-Maffei Wegmann 185 Panzerhaubitzen 2000 für 1,75 Milliarden Mark orderte. Auch der Sechs-Milliarden-Auftrag für 3 000 gepanzerte Transportfahrzeuge (GTK) ging 1998 an das Krauss-Maffei-Konsortium Artec. Der Kassensturz der neuen Bundesregierung senkte allerdings die Ertragserwartungen der Panzerindustrie: Die Anschaffung größerer Kanonen für den Leopard II wurde gestrichen, auch der Etat für Panzerkäufe der Bundeswehr ging auf 451 Millionen Mark zurück. Erst ab 2002 sollen die Ausgaben wieder erhöht werden.

Spät reagiert die Panzerbranche nun mit Fusionen, Kooperationen und einer Export-Offensive zum Erhalt der eigenen Systemfähigkeit. Die jüngsten Entscheidungen zur Beschaffung des GTK, der Panzerhaubitzen und die geplanten Leopard IIA5-Exporte schaffen Tatsachen, als deren Konsequenz ein europäisches Panzerkartell unter Führung von Krauss-Maffei Wegmann wahrscheinlich wird. Lange Zeit galt zwar Rheinmetall als der flexibelste Kandidat, zumal dessen Kanonen noch für nahezu jedes deutsche Panzerfahrzeug gebraucht wurden. Doch Krauss-Maffei entzog sich der drohenden Übernahme, indem der Konzern Ende 1998 mit Wegmann ein Joint Venture gründete - und damit die Kriegskasse des Konkurrenten Rheinmetall überforderte.

Damit ist der deutsche Panzermarkt zum Ende des Jahrtausends auf drei Systemfirmen, die Panzerfahrzeuge entwickeln und produzieren können, zusammengeschmolzen: Neben Krauss-Maffei Wegmann sind dies die Töchter der Industriewerke Karlsruhe Augsburg (Iwka) - Henschel Wehrtechnik und Kuka - sowie die MaK/Rheinmetall-Gruppe. Daneben existieren zahlreiche Zuliefer-Betriebe wie Blohm+Voss (Panzerwannen und Türme), Diehl (Panzerketten), MTU/Dasa (Motoren) oder Zeiss Optronik (Sensoren, Laser).

Etwa 7 000 Beschäftigte zählt die deutsche Panzerindustrie 1999, hinzu kommen weitere 13 000 Angestellte von Zuliefer-Firmen. Auch hier hat Krauss-Maffei Wegmann mit 2 200 Beschäftigten und einem Umsatz von rund 1,3 Milliarden Mark 1999 die Nase vorne. MaK folgte 1998 mit 730 Beschäftigten und einem Umsatz von 285 Millionen Mark, an dritter Stelle steht Henschel/Kuka, die im letzten Jahr 1 350 Beschäftigte und einen Gesamtumsatz von 270 Millionen Mark verzeichnen konnten.

Doch die künftige Neuordnung der europäischen Panzerindustrie hängt nicht allein von den deutschen Unternehmensgrößen ab. Mit Spannung erwarten die Konzernzentralen, ob sich Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) gegen die von Finanzminister Hans Eichel (SPD) angekündigten Rüstungseinsparungen von 18,6 Milliarden Mark bis 2003 wehren wird. Trotz Reduzierungen von schwerem Gerät steht nämlich noch ein Großprogramm auf der Warteliste: die Neue Gepanzerte Plattform (NGP), die ab 2007 den Leopard II ersetzen soll. Immerhin über 3 500 Leopard II wurden bisher für die Bundeswehr und Besteller aus dem Ausland produziert.

Zur Stärke der deutschen Panzerindustrie gesellt sich die Schwäche der europäischen Konkurrenz: So steht in Großbritannien etwa der Hoflieferant für schwere Challenger-Kampfpanzer Vickers vor dem Verkauf. Rolls Royce hatte den defizitären Rüstungsmischkonzern (Marinewerft, Panzer, Turbinen) im September übernommen, um zum europäischen Marktführer für Schiffs-, Flugzeug- und Panzerantriebe zu avancieren. Nun sollen die branchenfremden Vickers-Sektoren ausgegliedert werden.

Auch die britische GKN Defense, Produzentin der leichten Panzerfahrzeuge Desert Warrior und Piranha, konzentriert sich seit der Fusion mit der italienischen Agusta vom März 1999 auf ihr Hubschrauber-Geschäft GKN Westland Helicopter, wodurch Eurocopter (Dasa/Aérospatiale) von Platz eins der Rangfolge der europäischen Hubschrauberproduzenten verdrängt wurde.

In Frankreich wiederum sucht die Regierung seit vielen Jahren nach Interessenten für den defizitären Groupement Industriel des Armements Terrestres/Giat (Kampfpanzer Leclerc). Da die französische Regierung bisher nicht bereit war, sich von Teilen ihres 100prozentigen Giat-Aktienbesitzes zu trennen, lautet die bereits gescheiterte Entwicklungsstrategie des schwerfälligen Konzerns auch weiterhin: Exporte und Joint Ventures. Allerdings ist Giat weder technologisch noch organisatorisch als europäischer Kooperationspartner attraktiv.

Die übrigen europäischen Panzer-Unternehmen haben weder das Volumen noch den technischen Standard für die europäische Marktführerschaft. Neben Nischen-Produkten, etwa der schwedischen Häggelunds oder der österreichischen Steyr-Daimler-Puch AG, bleiben der Branche als Alternative so nur Joint Ventures und mittelfristig die Ausgliederung des unrentablen Panzersektors.

Dies bedeutet zwar nicht zwangsläufig die Übernahme durch Mannesmann / Krauss-Maffei Wegmann. Denn seitdem die Bundesregierung die gewohnte Planungssicherheit der Rüstungsindustrie ein wenig ins Wanken gebracht hat, spielt Mannesmann-Demag öffentlichkeitswirksam mit Verkaufsabsichten seiner Wehrtechnik-Sparte. Zwar gibt es für Krauss-Maffei Wegmann bis 2002 noch genug Bestellungen für Panzerhaubitzen und Leopard II-Erweiterungen. So lange aber kann die Bundesregierung mit Entscheidungen über künftige Haushaltseinschnitte und die Türkei-Exporte nicht warten.

So wird es wesentlich von diesen Weichenstellungen abhängen, ob Krauss-Maffei Wegmann unter dem Dach von Mannesmann verbleibt oder den Kern eines ausgegliederten europäischen Panzerkonzerns bilden wird. Auf eines deuten aber bereits heute alle Indizien hin: Die Systemführerschaft des europäischen Panzerbaus wird künftig in Deutschland liegen.