Unterricht ohne Schule

Gefährliche Orte LXXXII: Das Hanfmuseum gibt es schon fünf Jahre. Aber es hält leider nicht, was es verspricht: Es gibt nicht mal was zu quarzen.

Kiffen is geil«, findet ein Großteil jener Schüler und Schülerinnen, die vor dem Hanfmuseum auf dessen Öffnung warten. Ein Ausflug ist doch immerhin besser als normaler Unterricht - erst recht, wenn er was mit Drogen zu tun hat.

Punkt zehn Uhr ist es soweit, die Pforten des Hauses Mühlendamm 5 öffnen sich der interessierten Schülerschar. Mühlendamm? Warum befindet sich das Museum ausgerechnet im touristischen Nikolaiviertel in Mitte - und nicht in Kreuzberg, Friedrichshain oder Prenzlauer Berg? Ganz einfach: »Die Leute in Kreuzberg müssen doch gar nicht mehr aufgeklärt werden, hier hat man eine zentrale Lage, und ab und zu verirren sich sogar ein paar Berlin-Besucher zu uns«, so Ole Bredow vom Museum.

Kaum drin, haben ein paar Schüler schon eine Schale Hanfsamen auf dem Tresen entdeckt. Ihre eindeutige Reaktion: Begeisterung! Vorfreude! Selbstversorgung! Und dann: Ernüchterung. Bredow erklärt, dass diese Samen sich kaum für die Cannabis-Zucht eignen. Solche Samen finden sich in jedem ganz gewöhnlichen Vogelfutter. Richtige - also brauchbare - Samen dürfen im Hanfmuseum gar nicht ausliegen. Nochmal Ernüchterung!

Aber aus den Samen kann man natürlich andere schöne Sachen machen. Was, das wird Bredow den 15- bis 16jährigen Schülern in den nächsten 45 Minuten noch genauer erklären. Obwohl die eigentlich nur eine Nutzung der Pflanze interessiert. In der Schule findet gerade eine Projektwoche zum Thema Drogen statt. Grund genug für die Lehrerin, der ihr anvertrauten Meute mal die ganze Bandbreite der Hanf-Kultur näherzubringen. Die Sache mit den Blättchen, mit Bröseln, Drehen und Rauchen haben ja alle schon ganz gut drauf, da will sich die Lehrerin gar nichts vormachen.

45 Minuten - das ist genauso lang wie eine gewöhnliche Schulstunde. Und auch sonst gibt es eine Menge Ähnlichkeiten. Erster Raum: Geschichtsunterricht. Bredow erklärt etwas zur Historie des Hanfanbaus. Woher das Kraut kommt, was man früher damit so alles angestellt hat - und warum das heute halt nicht mehr so ist. Das Interesse der Schüler ist so gering wie im Geschichtsunterricht: Sie ziehen gelangweilte Grimassen.

Dann folgt: Sachkunde. Was man aus Hanf so alles machen kann, möchte Bredow den Schülern erzählen und zeigen. Seile, Klamotten, Segeltücher und dergleichen nennt er als Beispiele, teilweise sind sie auch ausgestellt. Die Aufmerksamkeit der Schüler lässt sich damit nicht erhöhen. Dass es nicht ganz einfach ist, an solche Ausstellungsstücke zu gelangen, mag die Museumsbetreiber interessieren, den Schülern ist es egal. Alle Objekte wurden mühsam zusammengetragen; Spenden gibt es kaum und vom Senat ist sowieso keine Unterstützung zu erwarten. Die Tolerierung der Einrichtung ist schon das maximalste Zugeständnis der Stadtregierung.

Entsprechend finanziert sich das Museum allein über die Eintrittspreise und über den Verkauf im Museumsshop. Dieser ist wie die große Pause in der Schule: das erste Highlight des Tages. Und das, obwohl der Besuch des Shops nicht zum offiziellen Führungsprogramm gehört. Aber dort finden die Schüler endlich, was sie wirklich interessiert: Bücher über den Anbau der Pflanze, Pfeifen, Papers und allerlei Nützliches für den gemeinen Raucher. Alles ganz legal, versteht sich, mit dem Gesetz will das Museum auf keinen Fall in Konflikt kommen. »Wir werden schließlich permanent überwacht«, erklärt Bredow. Ab und zu schaue auch mal ein Zivilbeamter vorbei, um nach Rauchwaren zu fragen. Aber diese Nummer ist viel zu offensichtlich.

Außerdem widmet sich das Hanfmuseum, das am Montag seinen fünften Geburtstag feielich beging, vor allem der Aufklärung. Im Gegensatz zu dem wohl bekanntesten Museum dieser Art, dem in der Kiffer-Metropole Amsterdam, soll Hanf aus der Drogen-Ecke herausgeholt werden. Der Nutzen der Pflanze ist das wichtigste Thema.

In einer Vitrine neben dem Shop ist eine Pflanze ausgestellt, etwa anderthalb Meter hoch. Die Schüler drücken sich die Nasen platt. Das ist ihre Welt! Dieses Gewächs, deren THC-Anteil so gering ist, dass selbst ihr kompletter Rauchgenuss nicht die gewünschte Wirkung bringen würde, sondern nur Kopfschmerzen, ist die einzig legale Pflanze dieser Art in Berlin - der Gnade des Senats sei Dank.

Weiter geht's in den nächsten Raum. Biologieunterricht, es geht um die medizinische Qualität des Hanfes. Das Zeug lässt sich nämlich nicht nur rauchen oder zu Stoff verarbeiten. Aus Hanf lassen sich auch Medikamente herstellen - günstiger und mit weitaus weniger Nebenwirkungen als die Chemieprodukte der Pharmaindustrie. Nur: Wegen des Hanf-Verbotes geht das natürlich nicht. Ein gutes Argument für die Legalisierung. Das interessiert. Gemächlich beginnen die Schüler, Fragen zu stellen. Warum darf man eigentlich nicht? Wieso muss man illegal anbauen? Bredows Antwort, so stehe es nunmal im Betäubungsmittelgesetz, stellt sie nicht zufrieden.

»Was kann man dagegen tun?« wollen sie wissen. Natürlich tritt das Hanfmuseum und der im gleichen Gebäude beheimatete Verein Hanf e.V. für die komplette Legalisierung des Cannabis ein. Deswegen veranstaltet man auch jedes Jahr die Hanf-Parade. Aber genützt hat es bisher nichts.

Immerhin: Die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung steigt von Jahr zu Jahr. Vielleicht auch ein Verdienst des Museums. Ein Großteil der Besucher - hauptsächlich Schulklassen, aber auch andere Gruppen wie die Polizei, Berufsschüler oder einfach nur Touristen - geht geläutert aus dem Museum, wenn sie es nicht schon vorher waren.

Für die Schüler aber folgt weiterer Informationsfluss. In der Abteilung »Anbau International« finden sich Bilder aus verschiedene Ländern, in denen Hanf angebaut wird. Nepal, Libanon oder Afghanistan beispielsweise. Wie in Erdkunde! Trotzdem sind die Teenies endlich begeistert. Nicht wegen den Informationen, Bilder von faustgroßen Haschklumpen erfreuen die Juniorkiffer: Was für eine Attraktion! Und wie wunderbar wäre es, die Beispiele in natura betrachten zu können.

Der interessanteste Aspekt für die Schüler jedoch wird im letzten Teil der Führung behandelt. Hier geht es um die rechtliche Seite des Cannabis-Konsums - wie Sozialkunde oder so. Egal, Augen und Ohren werden aufgesperrt, denn dieses Thema betrifft (fast) alle von ihnen. Viele Fragen, viel Gerede, viel Chaos - jeder will seine Erfahrungen zum Besten geben.

Trotz der anfänglichen Skepsis hat sich der Ausflug am Ende doch gelohnt. »Man hat auf jeden Fall was dazugelernt«, findet einer der jugendlichen Besucher. Aber: »Die Theorie ist längst nicht so interessant wie die Praxis.«

Hanfmuseum Berlin, Mühlendamm 5, Mitte, dienstags bis freitags 10 bis 20 Uhr, sonnabends/sonntags 12 bis 20 Uhr