Memento mori I

EinherierInnen

Walhall, erfahren wir aus »Meyers Kleinem Lexikon« (1934), das ist der Ort, wo Odin »die in der Schlacht Gefallenen (...), die toten Helden (Einherier) versammelt und bewirtet«. »Einherier« ist altnordisch und heißt »Einzelkämpfer«, und man kann sich gut vorstellen, wie die blutüberströmten Gesellen im Schmuck ihrer Einzelkämpferabzeichen sich den Met aus Totenschädeln in die triefenden Mäuler gießen und Geschichten vom Gemetzel grölen.

Das entsprach so recht der Vorstellung, die sich die SS von geselliger Fröhlichkeit machte, weshalb auf den Ordensschulen stets auch altgermanisches Tamtam auf dem Stundenplan stand. Aber auch ein Feingeist wie der hellenophile Bayernkönig Ludwig I. konnte sich der düsteren Faszination des halbgöttischen Besäufnisses nicht entziehen: Womöglich erinnerte es ihn an die Bacchanale der griechischen Mythologie; wahrscheinlicher ist, dass ihn doch die Sehnsucht nach homerischem Heldenkult trieb. In jedem Fall gab der König 1830 bei seinem Hofarchitekten, dem Klassizisten Leo von Klenze, einen Tempel hoch über dem Donauufer bei Regensburg in Auftrag, in dem, wiewohl das Bauwerk selbstverständlich im griechischen Stil errichtet wurde, ausschließlich Helden »teutscher Zunge« verewigt werden sollten, und nannte das Bauwerk »Walhalla«.

Seitdem haben sich dort Büsten und Gedenktafeln angesammelt, die an insgesamt 187 teutschsprachige Kämpen erinnern, die meisten davon immerhin nur Helden der Feder und des Taktstockes - und lediglich neun von ihnen Frauen. Schreiende Ungerechtigkeit, findet nicht nur die bayerische Landtagsabgeordnete Hildegard Kronawitter (SPD), sondern auch deren Fraktionschefin Renate Schmidt und Hildegard Hamm-Brücher, die »Große Alte Dame« der FDP. Doch welche Frau wäre würdig, unter den teutschen Brustbildern zu weilen? Die Antwort steht in Brigitte: Nicht Madonna, nicht Coco Chanel, nicht Marie Curie (die ja auch nicht deutscher Zunge sind), nicht Rosa Luxemburg und die politisch ebenfalls suspekte Marlene Dietrich wählten 10 000 Leserinnen der Frauenzeitschrift zur »Frau des 20. Jahrhunderts«, sondern die 1943 von der Nazi-Justiz ermordete Widerstandskämpferin Sophie Scholl.

Gesagt, getan, drei Frauen, ein Wort: Die Sophie soll's sein. Der Antrag von Frau Kronawitter liegt schon zur Prüfung bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und wird dort, wie die Süddeutsche berichtet, »schneller als sonst üblich« behandelt.