Nazi-Ranking

Versailles ist schuld

Von

Dass rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten in der Ex-DDR signifikant häufiger vorkommen als in den alten Bundesländern, ist bekannt. So bekannt, dass es sogar in der FAZ steht. Neu in der Berichterstattung ist jeweils nur, wer im Osten wem den Spitzenplatz abgelaufen hat.

Diesmal liegt Sachsen vorne. Genauer: Bei Angriffen auf alles, was nicht deutsch daher kommt, hat Leipzig den Spitzenplatz errungen - mit 27 Taten im Jahr 1998, aktuellere Zahlen sind derzeit nicht verfügbar. Auch wenn in Sachsen - gemessen an der Gesamtbevölkerung - nicht mehr Menschen rechtsextrem organisiert sind als im übrigen Deutschland, übersteigt die Zahl der militant agierenden Nazis alle Vergleichswerte.

Auch über die Gründe für die Dauermeisterschaft des Ostens streiten sich die Experten noch. Klaus Farin vom Berliner Archiv der Jugendkulturen fand letzte Woche bei einer von der Stadt Leipzig ausgerichteten Tagung mit dem Titel »Rechtsextreme Jugend: Eine Erschütterung der Gesellschaft?« einen völlig neuen Ansatz: Ob nicht allein eine gesteigerte Wahrnehmung rechter Gewalttaten für die verheerende Statistik verantwortlich sei? Hört nicht immer wieder, wer die Lauscher nur weit genug aufsperrt, ein schallendes »Heil Medien« zwischen Apolda und Zeulenroda?

Stefan Danners, Mitarbeiter des Fachbereiches Sozialwesen der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, kann man so nicht kommen: Fast 50 Prozent der Leipziger Neuntklässler würden den Satz »Ausländer haben Schuld an der Arbeitslosigkeit in Deutschland« für richtig erachten. Immerhin 23 Prozent stimmen auch der Aussage zu: »Deutschland braucht wieder einen starken Führer, der das Land mit harter Hand regiert.« Erklärungen liefert er nicht ab.

Dafür aber die FAZ: Neuntklässler? Hm, da könne die Arbeitslosigkeit wohl nicht als Hauptgrund für nazistisches Verhalten angeführt werden. Vielmehr müsse man wohl über Desorientierung nachdenken, die der Zusammenbruch der DDR nach sich zog. In Frage komme auch das »Vakuum«, das die Auflösung der Jugendorganisationen mit sich gebracht habe. Und schließlich die geringe Erfahrung im Umgang mit Demokratie und Ausländern, die Verunsicherungen und Brüche in den Biografien vieler Menschen, Erlebnisse im Elternhaus, Kälte und Lieblosigkeit. Was aber ist mit dem Mangel an Bohnenkaffee und Bananen, mit Letscho-Terror und Stabü-Unterricht?

Nichts, schließt die FAZ. Oder doch? Gab es so etwas in der deutschen Geschichte nicht schon einmal? Hatte der Versailler Vertrag nicht ähnlich furchtbare Auswirkungen? Steuern wir auf ein neues Weimar und damit auf eine neue Osthauptstadt zu?