Verkauf der Roten Flora in Hamburg

Angebot heißt Angriff

Die Rote Flora soll verkauft werden. Verhandlungen mit der Stadt lehnen die BetreiberInnen aber ab.

Bitte machen Sie Ihr Kreuz: Verhandeln? Ein bisschen Radical Chic verbreiten? Oder lupenrein links bleiben? Die BetreiberInnen der Roten Flora hatten lange debattiert, um sich Ende Februar doch für die tradierte Qualitätslösung autonomer Politik zu entscheiden: keine Verhandlungen mit der Stadt über mögliche Nutzungsverträge.

Doch nach den langen Wochen linker Konsensfindung machte der Hamburger Senat den FloristInnen am Wochenende einen Strich durch die Rechnung: Die Flora soll verkauft werden, was der Stadt künftig nicht nur die leidigen Diskussionen mit den BetreiberInnen ersparen dürfte, sondern nebenbei noch einige Mark in die Stadtkasse brächte.

Ein harter Schlag für das linksradikale Zentrum, das vor über zehn Jahren während der Auseinandersetzungen um das Kommerz-Musical-Projekt »Phantom der Oper« im Schanzenviertel entstand. Nachdem der Abriss des ehemaligen Theatergebäudes verhindert worden war, besetzten linke Gruppen den Komplex. Seitdem wird die Flora von der Stadt geduldet. Elf Jahre lang haben die FloristInnen ihre Zeit damit verbracht, ein selbstverwaltetes Zentrum ohne öffentliche Förderung, ohne bezahlte Stellen und so hierarchiefrei wie möglich aufzubauen.

Ende letzten Jahres aber flatterte dem Projekt ein Mietvertrag ins Haus. Im Auftrag des Hamburger Senats forderte Altonas Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer (SPD) das NutzerInnenplenum der Roten Flora auf, mit der Stadt zu verhandeln und das Projekt mit einem Mietvertrag zu legalisieren. Das Stadtteilprojekt aber sah in der Anfrage des Bezirksamtes kein Angebot, sondern einen Angriff und einen »nicht tragbaren Versuch, in die Struktur der Roten Flora einzugreifen«.

Bereits seit einiger Zeit ist unübersehbar, dass die Rote Flora auch im Bürgerschaftswahlkampf zum Thema gemacht werden soll. Schon im Januar gab Ole von Beust, Fraktionsvorsitzender der Hamburger CDU, das Startsignal, als er die Beendigung des »unhaltbaren Zustandes« und die Räumung »dieses rechtsfreien Raumes« forderte. Aber auch von Beust scheint Zweifel zu haben, ob sich mit dem Thema Rote Flora die Wahl gewinnen lässt. Erst kürzlich bot die CDU der SPD ein so genanntes Sicherheitspaket mit zehn Forderungen an, unter anderem nach mehr Polizei und Justizpersonal, härteren Strafen, Brechmitteleinsätzen bei Dealern und intensiverer Kontrolle »gefährdeter Stadtteile«. Als Gegenleistung würde die CDU die Themen Innere Sicherheit und Rote Flora aus dem Wahlkampf heraushalten.

Doch die SPD lehnte dankend ab. Sie hatte sich bereits Wahlkampfhilfe von Bundesinnenminister Otto Schily organisiert: Eine BGS-Sondereinheit soll im Kampf gegen die Drogenkriminalität in Zügen und Bahnhöfen, vor allem auf der City-Linie S3 zwischen Altona und Hauptbahnhof eingesetzt werden.

Auch außerhalb des Wahlkampfes steht das Thema Rote Flora auf der Tagesordnung von Law-and-Order-PolitikerInnen. So stilisierten Politik und Presse das Schanzenviertel zum gefährlichsten und dreckigsten Ort Hamburgs, nachdem die lokale Drogenszene aus dem citynahen Stadtteil St. Georg vertrieben worden war. Spätestens seitdem wird das Zentrum mit den stereotypen Kennzeichen des so genannten »gefährlichen Ortes« - Drogen, Dreck und Deliquenz - identifiziert.

Überraschend hingegen ist die Argumentation des Stadtentwicklungsexperten der Handelskammer, Michael Kuhlmann. Wegen ihres »morbiden Charmes« bezeichnete er die Rote Flora als »Image-Faktor für das Viertel«. Nach der nächtlichen Randale vor dem 1. Mai 2000 erklärte er in einer Fernseh-Talkshow, dass den benachbarten Werbe- und Multimediafirmen gelegentliche Straßenschlachten ruhig zuzumuten seien: im Gegensatz zu »wirklichen Problemen« wie fehlenden Parkplätzen. Lediglich die Obdachlosen, Dealer und DrogenkonsumentInnen müssten noch verschwinden.

Für Konflikte dieser Art gibt es in Hamburg die Geheimwaffe Runder Tisch. AnwohnerInnen, die Handelskammer und Gewerbetreibende versuchen in diesem Sinne einen Konsens zu erreichen, der die multikulturelle, bunt-kreative Kulisse aufrechterhält, gleichzeitig aber unerwünschte Randgruppen ausschließt. So ist gegenüber der Roten Flora eine Piazza mit mediterranem Flair geplant, während die benachbarte Drogenhilfeeinrichtung FixStern aus dem Viertel verschwinden soll. Die BetreiberInnen der Roten Flora lehnen auch deshalb Vertragsverhandlungen ab, weil sie nicht an einem Partizipations- und Integrationsdiskurs teilnehmen wollen, der diese Ausgrenzungsprozesse vertuscht.

Aber die Entscheidung war innerhalb der Flora umstritten. Während die Mehrheit der Ansicht ist, dass die Erhaltung des besetzten Raums die stärkste Intervention sei, um sich gegen Ausgrenzung im öffentlichen Raum zu wehren, wollten einige AktivistInnen die Vertragsverhandlungen dafür nutzen, mehr Öffentlichkeit herzustellen, um die Sache dann gegebenenfalls platzen zu lassen.

Für die von der CDU immer wieder geforderte Räumung des Gebäudes sah Altonas Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer (SPD) aber »keinen Grund und keine rechtliche Möglichkeit«. Betont gelassen reagierte er auf die Vertragsablehnung, um nur wenige Tage später seinen Überraschungscoup zu landen. Inzwischen hätten zwei Interessenten ihre Kaufangebote vorgelegt, erklärte er am Wochenende, die mit der Garantie verbunden seien, die Selbstverwaltung des Projekts für mindestens zehn Jahre zu erhalten. Am 27. März soll der Senat über den Verkauf der Flora an einen der Privatinvestoren entscheiden.

Zumindest eine der potenziellen KäuferInnen ist den NutzerInnen bekannt. Bereits vor zwei Jahren hatte die Galeristin Gerda Basse vorgeschlagen, in der Flora ein »soziokulturelles Zentrum« einzurichten. Doch die FloristInnen sahen schon damals keine Möglichkeit, mit der Mäzenin zusammenzuarbeiten. So lange der Senat keine detaillierten Informationen vorlege, hieß es am Wochenende, solle das auch so bleiben.